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Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Bild, dem sie dort begegnete, war grauenvoll. Vom Computermonitor sah sie eine KZ-Gefangene an. Sie sah genauso aus wie die Menschen auf jenen wackelnden Filmsequenzen der alliierten Soldaten, die als Erste in die Konzentrationslager der Nazis gekommen waren. Aber diese lebende Leiche hier lachte und winkte. Schließlich sagte sie auf Englisch, mit amerikanischem Akzent: »Seit einem Monat habe ich nicht das Geringste gegessen. Nicht einen Krümel, kein einziges kleines Staubkorn. Ich habe es geschafft. Ich bin frei.« Und dann verschwand sie.
    Lena Lindberg schaute vom Bildschirm auf. Sara begegnete ihrem Blick. So hielten sie einen Moment lang inne. Jede konnte die Gedanken der anderen lesen: Was ist eigentlich in die Menschen gefahren? Wie hat es sich so entwickeln können?
    Und keine von beiden hatte eine Antwort.
    »Ich habe hier etwas gefunden«, sagte Sara. »Lisa hat diese Anzeige eingekreist. Sie lautet: ›Willst du richtig abnehmen?‹ – ›richtig‹ ist kursiviert –, und dann folgt eine Internetadresse.«
    »Nur das?«, fragte Lena.
    »Ja«, sagte Sara.
    »Scheint sich an den harten Kern eingeweihter Thinspiration-Frauen zu richten«, vermerkte Lena und knickte die Zeitschriftenseite so um, dass sie die Internetadresse lesen konnte. Sie hieß »thinspiration.se«.
    Lena gab die Adresse ein. Eine Homepage öffnete sich. Sie war rudimentär und ohne jede Ausschmückung. Stattdessen beschrieb sie einfach und deutlich einen neuen, inoffiziellen Fortschritt der Pharmaforschung. Den Angaben zufolge handelte es sich um ein amerikanisches Präparat, das gegenwärtig unter dem Namen Anamagica lief, aber noch nicht auf dem Markt war. In ziemlich verdeckten, aber wohlformulierten Wendungen klärte die Homepage darüber auf, dass das Medikament aktiv zur Fettverbrennung des Körpers beitrage. »Es handelt sich um das erste Medikament weltweit, das Fett verbrennt«, wie der Text lautete. »Hier besteht die einmalige Chance, den besten, effizientesten Fatburner zu erwerben, den die Welt bisher gesehen hat – oder sollte die Frage nach eventuellen Nebenwirkungen die passionierte Grammjägerin tatsächlich abhalten?«
    »Grammjägerin?«, las Sara Svenhagen.
    »Was soll das?«, fragte Lena Lindberg. »Ist da jemand in den Besitz einer Ladung supergeheimer Testmedizin von einem amerikanischen Pharmaunternehmen gekommen?«
    »Sieht fast so aus. Lies ein bisschen genauer, wie es funktionieren soll.«
    »Hier steht es: ›Nimm eine Woche Anamagica ein und zehn Kilo ab. Es funktioniert nachweislich, aber natürlich nicht ohne Gesundheitsrisiko.‹«
    »Kann man es kaufen?«
    »Es gibt eine Bestellseite.«
    Sie klickten auf die Seite. Dort wurden wesentlich zurückhaltendere Töne angeschlagen. Es klang fast nach einer Spionagegeschichte. Hier hieß es, dass sich das Lager an einem geheimen Ort in Stockholm befinde, und um sich als Kunde zu qualifizieren, war man gezwungen, sein Interesse mittels eines Formulars im Internet anzumelden, inklusive der Personen- und der Handynummer. Wenn dann die Antwort kam, sollte man sich umgehend zu dem Lager begeben und weitere Anweisungen abwarten.
    »Wenn die Antwort kommt …«, sagte Sara Svenhagen langsam. »Die Antwort per Handy oder per E-Mail?«
    »Fuck«, sagte Lena Lindberg und öffnete Lisa Jakobssons E-Mail-Programm. Es brauchte quälend lange Zeit, bis es sich geöffnet hatte, und als das endlich geschehen war, fand sich keine Mail von dieser Internetadresse im Eingangsordner.
    »Shit«, sagte Lena Lindhagen wenig einfallsreich.
    »Guck im Papierkorb nach«, riet Sara und erntete einen anerkennenden Blick ihrer Kollegin.
    Da befand sich die Mail.
    Sie war tatsächlich da, im Papierkorb des E-Mail-Programms.
    Sie war zwar von einer privateren Mailadresse abgeschickt als die der Website, aber es war die richtige. Als Erstes lasen sie die abschließenden Worte: »Denk daran, diese Mail umgehend zu löschen.«
    »Merkwürdig, dass die pedantische Lisa so nachlässig war«, sagte Lena Lindberg.
    Sara Svenhagen las laut vor: »›Glückwunsch, Lisa. Du bist unter wenigen ausgewählt worden, um Anamagicas epochemachende Wirkung kennenzulernen. Heute, Sonntag, um sechzehn Uhr, sollst du dich im Videoladen in der Jungfrugatan auf Östermalm in Stockholm einfinden. Dort werden wir weiteren Kontakt zu dir aufnehmen. Drei Dinge sind unbedingt zu beachten. 1. Dein Handy mit der Nummer, die du bei deiner Anmeldung angegeben hast, muss eingeschaltet sein. 2. Du musst die zwanzigtausend

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