Butenschön
in die Hüften gestemmt, »Sie benehmen sich auch komisch.«
»Ich bin kaputt, Herr Fischer. Fertig, ausgebrannt. Seit acht Uhr heute Morgen mime ich den studierten Lakai. Allmählich blättert die Maske ab, innerlich wie äußerlich. Bitte wecken Sie mich, falls ich einschlafe. Wo ist Ihre Frau?«
»Bei Freundinnen.« So, wie er das Wort ›Freundinnen‹ aussprach oder besser ausspie, hätte er die Damen am liebsten eingebuchtet. »Aber sie muss gleich hier sein.«
»Gut. Haben Sie die Akte?«
Er nickte und verschwand. Ich rieb mir die Hände. So müde ich war, fühlte ich mich dennoch großartig. Okay, es hatte keine Möglichkeit gegeben, mit dem Ehepaar Butenschön zu sprechen, ich war also bei meinen Ermittlungen keinen entscheidenden Schritt weitergekommen – aber: Ich hatte Susanne zum Staunen gebracht. Susanne Rabe, Bauklötze staunend. Diesen Anblick hatten bestimmt noch nicht viele genossen.
»Was ist das?«, rief sie und griff nach dem Briefumschlag, mit dem ich zum Abschied vor ihr herumwedelte. »Sag nicht, eine Einladung für morgen!«
»Wie soll ich es sonst sagen?«
»Wahnsinn!« Susannes Augen glänzten. Leider nur kurz, dann runzelte sie die Stirn und folgerte: »Du hast also geflunkert. Da waren doch noch welche im Schreibtisch.«
»Eben nicht.«
»Sondern?«
Ich erzählte ihr, wie mich Frau Butenschön, kaum waren die letzten Gäste gegangen, zu sich gewinkt hatte, um sich bei mir zu bedanken. Für meinen raschen, selbstlosen und dezenten Einsatz, als ihrem Gatten das kleine Missgeschick passierte.
»Rasch, selbstlos und dezent.« Die drei Adjektive schmolzen auf meiner Zunge. »Max Koller, wie er leibt und lebt! Hat sie so etwas jemals über dich gesagt?«
»Und weiter?«
»Dann wollte sie mir ein Kistchen Wein schenken. Oder Sekt; ob ich einen besonderen Wunsch hätte? Ich sagte, ich sei Antialkoholiker, jedenfalls meistens, aber einen Wunsch hätte ich durchaus.«
Sie nickte ehrfürchtig. »Eine Einladung für den Festakt.«
» Zwei Einladungen. Schließlich sollen möglichst viele Menschen der Größe eines Albert Butenschön teilhaftig werden. Da war sie vielleicht gerührt. Selbstlos, dieser Max Koller, ich sage es ja!«
»Nicht schlecht, Detektiv. Wenn du so weitermachst, schreibt sich dein neues Buch wie von selbst. Bis morgen!«
Ja, bis morgen. Ich war gespannt, was Susanne vorhatte. Dass sie nur aus privatem Interesse zu der Feier wollte, hatte ich ihr nie geglaubt. Ich hegte auch bereits einen Verdacht, worauf das alles hinauslaufen könnte. Mit Butenschön selbst hatte es nichts zu tun, dem begegnete sie ja wöchentlich. Eher mit seinen prominenten Gästen. Na, ich würde ja sehen.
Fischers Rückkehr entriss mich diesen angenehmen Gedanken. Nicht viel, und ich wäre tatsächlich weggedämmert. Der Kommissar reichte mir einen Ordner und nahm an meiner Seite Platz. Die Oberfläche der Couch geriet in schaukelnde Bewegung.
»Vorsicht«, gähnte ich. »Da wird man ja seekrank.«
»Sie vielleicht. Haben Sie die Bücher mitgebracht?«
»Die muss ich erst beim Verlag bestellen. Nächste Woche.«
»Und das Schreiben für meinen Neffen?«
Ich klappte den Ordner auf. »Dito.«
Fischer schlug sich auf die Schenkel. »Wie, dito? Wir hatten eine Abmachung, Herr Koller! Was soll ich meiner Frau sagen?«
»Sie kriegen Ihren Brief, keine Sorge. Wenn der gute Adrian seit Jahren als unentdecktes Genie dahindämmert, wird er die paar Tage auch noch überstehen. So ein Empfehlungsschreiben will wohlüberlegt sein, da muss jedes Wort sitzen. Morgen treffe ich mich mit Covet. Oder übermorgen.« Letzteres flüsterte ich so leise, dass er es nicht hörte.
»Ich verlasse mich drauf«, knurrte Fischer und erhob sich. »Eigentlich wollte ich Ihnen einen Kaffee anbieten, aber so …« Er verließ den Raum.
»Machen Sie sich keine Umstände.« Ich kannte das Gebräu, das hier als Kaffee durchging. In Frankreich schicken sie dich dafür unter die Guillotine. Egal, der Ordner war wichtiger. Sein Inhalt zeugte von Ermittlerroutine und methodischem Vorgehen; von besonderem Ehrgeiz eher weniger. Eine Brandstiftung halt, spontan und ungeplant. Das Objekt offenbar willkürlich ausgewählt. Mögliches Motiv: Lust an der Zerstörung. Keine sichtbare Verbindung zu den aktuellen Studentenprotesten. Der potentielle Täterkreis extrem groß.
Und Butenschön? Sein Name fiel genau einmal: Michael Deininger hatte ihn ins Spiel gebracht, ohne dass man dieser Spur nachgegangen wäre. Jedenfalls
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