Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)
rumgemacht. Die hat sich wegen Steffi geschämt, sagt Franz, und die Kleine weitgehend ignoriert.«
Hedda knöpfte die beiden oberen Blusenknöpfe, die unter dem Druck des Tages aufgegangen waren, zu und ergänzte: »Dass er Boris gut gekannt hat, habt ihr selbst festgestellt – ich meine jetzt das Drachensteigenlassen. Um den Punkt kommt man nicht rum: Franz Büttner hat sich an die Kinder rangemacht. Und Bärbel, die Steffis Entführer gesehen hat, ist panisch weggerannt, als Franz plötzlich vor ihr auftauchte, und Boris, der Steffis Entführer ebenfalls gesehen hat, ist verschwunden. Das nennt man eine Indizienkette.«
»Ich hab den Kindern nichts getan«, sagte Franz Büttner in diesem Moment drinnen im Verhörraum – das war die Antwort, die er inzwischen auf jede Frage gab.
»Wir machen Schluss«, entschied Schmidt. Es ging inzwischen auf Mitternacht zu. Ihnen war klar, dass Franz in dieser Nacht mit nichts mehr herausrücken würde.
Elias wollte aber trotzdem mit ihm sprechen. Er hatte nicht einschlafen können, weil er immer daran denken musste, was Gitta über Steffi gesagt hatte: Sie ist gerade jetzt irgendwo, ganz real … Und dasselbe galt natürlich auch für Boris. Bilder von modernder Erde, durch die sich Wurzeln gruben, quälten ihn. Wo steckte der Junge nur?
Er stand auf und schlich an Ollys Zimmer vorbei. Sie hatte ihre Schlafzimmertür sperrangelweit offen stehen lassen und bot, beschienen vom Mondlicht, in ihrem dünnen Schlafanzug ein Prachtbild. Er seufzte, schlich weiter zum Auto und fuhr nach Aurich zum Untersuchungsgefängnis.
Erst wollte man ihm nicht aufmachen, aber als er sich auswies und erklärte, dass er zu dem Team gehörte, das den Fall Steffi und Boris Coordes untersuchte, ließ man ihn hinein.
Franz schlief ebenfalls nicht – kein Wunder. Er blickte erschrocken zur Tür, als der Wärter sie für Elias öffnete, und sah aus, als habe er Angst, dass nun zur frühen Stunde die hochnotpeinliche Befragung weiterginge.
Elias beruhigte ihn, indem er ihm ein Bier aus dem Sechserpack anbot, das er zuvor bei einer Tankstelle besorgt hatte. Dann begann er ihn nach Opa Bartel auszufragen. Aber Franz hatte keine Lust, über den Opa zu sprechen. Er trank wortkarg noch ein zweites, drittes und viertes Bier, und dann begann er über seine eigenen Sorgen zu reden.
»Es fing schon an, als ich meine Ausbildung gemacht habe. Die Sabine war klasse, damit meine ich: modern. Die hat mich ja auch eingestellt. Aber die älteren Semester – schrecklich. Ich komme hin, und für die bin ich sofort verdächtig. Das hat mich geblockt – aber wie! Verstehen Sie das?«
Elias, der sich an ein Tischchen an der Wand gesetzt hatte, nickte.
»Ich hab mich kaum in die Nähe der Kinder getraut. Also schon… aber ich habe sie selten angefasst. Darauf hab ich geachtet. Aber am Ende bringt das ja nichts, hm? Du musst sie auf die Schaukel heben, sie hochnehmen, wenn sie heulen, und was soll ich tun, wenn eins dabei sein Köpfchen auf meine Schulter legt? Ich kann sie doch nicht am ausgestreckten Arm trösten.«
»Nö, wohl nicht.«
»Unsere Kolleginnen benehmen sich wie Mütter, und du musst dich eben wie ein Vater benehmen, hat Sabine zu mir gesagt. Und das hört sich völlig klar an. Aber dann kommt die Frage: Begleitet ein Vater sein Kind zum Klo? Ich hab das in der Kollegenrunde angesprochen, damit über diesen Punkt Klarheit herrscht, und alle haben gesagt: Natürlich gehst du mit ihnen zum Klo. Schon wegen des Personalschlüssels, weil wir ja viel zu wenig waren. Nur Natascha hat gemeint, sie finde das nicht richtig. Auch bei Jungs nicht.«
Franz erzählte und erzählte, und so langsam bekam Elias ein Bild davon, wie schwierig es war, als Erzieher zu fungieren, ohne in die Bredouille zu kommen.
Schließlich kam die Sache mit den Zeichnungen, von denen Koort-Eike gesprochen hatte. Natascha hatte sie heimlich eingesammelt und ihren Freundinnen und – nach eingehender Besprechung – jemandem von irgendeiner Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch an Kindern vorgelegt, und dann kam die Polizei. Man hatte ihm natürlich konkret nichts vorwerfen können, aber das mit der Polizei machte in Straubing trotzdem die Runde, und es gab wüste Beschimpfungen und Mails, igitt, und die Mütter warteten vor der Kindergartentür, und da musste er eben gehen.
»Obwohl ich gemerkt habe, dass ich beruflich ganz klar auf dem richtigen Weg bin. Ich mag Kinder. Die sind so unbefangen. Die lachen so gern, und denen
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