Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
gesagt, sie sei hier ein anderer Mensch. Sie könnte hier zur Schule gehen für ein Jahr oder so. Das wäre für ihr Englisch super. Und mir könnte sie ein bisschen helfen, mit dem Haushalt und der Firma. Wenn ich bald nicht mehr so beweglich bin …, ich meine ja nur.«
»Carol. Das kann nicht dein Ernst sein. Ich sterbe ohne Nini«, sage ich empört.
»Als ob ich das nicht wüsste«, antwortet sie lachend. »Aber denk doch an sie. Wenn es gut für sie wäre … Früher oder später musst du sie sowieso loslassen. Und wenn sie zum Beispiel im September kommen würde, dann könnte sie bis zum Frühling hierbleiben. Überleg es dir. Es ist ein Angebot, und sie hätte es gut bei uns. Ich würde schon auf sie achten, damit sie nicht unter die Räder kommt.«
Nur über meine Leiche. Obwohl das Angebot ja wirklich gut gemeint ist, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Nini hier ein Jahr in der Großstadt leben soll. Ohne mich? Ausgeschlossen.
Wir essen den leckeren, von Nini mit Schafskäse zubereiteten Salat und dazu frisches Baguette und etwas gebratenes Putenfleisch, und Carol gießt mir noch ein Gläschen Cabernet Sauvignon ein. Aber irgendwie sind wir alle traurig und in Abschiedsstimmung. Die letzten Tage habe ich Carol viel von der ›Butterblume‹ erzählt und musste versprechen, ihr einen Grundriss zu schicken, damit sie sich ein paar Gedanken wegen der Gestaltung machen kann. Wieder ein Grund, mit Christian sprechen zu müssen. Sie unterstützt mich in meinen Plänen und ermutigt mich, nicht aufzugeben.
»›Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.‹ Altes chinesisches Sprichwort. Das ist jetzt dein Ding. Zieh es durch und bau deine Windmühle.« Bei ihren aufmunternden Worten fühle ich mich mutig genug, diesen Schritt trotz aller Zweifel zu wagen.
Und dann ist die Zeit des Abschieds gekommen.
»Pass auf dich auf, meine Liebe«, sage ich zu Carol und nehme sie fest in den Arm. »Und nochmals vielen, vielen Dank für alles.«
»Es gibt nichts zu danken«, antwortet sie und hat doch tatsächlich eine Träne im Auge.
»Maja, denk dran, was ich dir gesagt habe, ja? Und noch etwas …«, sie sieht mich ernst an, »ich hab noch keine Patentante für mein Baby. Wie wär’s?«
Kapitel 21
Das Weinfest
Die Tage in London haben uns gutgetan. Nini freut sich darauf, ihren Freundinnen die neueste Mode aus der Szenestadt zu präsentieren, und ich bin nicht nur froh, meine Freundin wiedergesehen zu haben, sondern habe auch schon einige Ideen für die Inneneinrichtung der ›Butterblume‹ gewonnen. Dummerweise ist die Sache mit dem Kredit noch nicht entschieden. Trotzdem bin ich voller Tatendrang. Sobald ich zu Hause bin, werde ich mich um die Gaststätten-Konzession kümmern. Und ich hoffe, dass Christian bald zurückkommt. Ich möchte ihn so gerne wiedersehen. Das Gefühl, in seinen Armen zu liegen, war einfach unbeschreiblich schön.
Kaum zu Hause angekommen, fahre ich daher gleich zur ›Butterblume‹ und gehe in das Haus, um noch mal in Ruhe alle Räume anzuschauen. Mir wird bewusst, dass ich zum ersten Mal ganz alleine hier bin. Erst war Christian dabei, dann Nini und meine Mutter. Seltsam ist, dass ich mich beim Betreten des Hauses sofort wieder heimisch fühle. Alle Räume sind leer und unbewohnt, und doch habe ich nicht das Gefühl, fremd zu sein. Ich reiße die große Terrassentür auf und atme tief ein. Das Wasser plätschert sanft gegen die Mauer, und eine winzige Dunstschicht liegt über dem See. Jetzt, Anfang September, kann man schon das nahe Ende des Sommers erahnen. Noch sind die Tage heiß und sonnig, aber die Abende werden schon ziemlich kühl. Ich sehe zu ›Sommerwind‹ hinüber, dem Segelboot, auf dem ich vor Kurzem mit Christian noch so glücklich war.
Seufzend gehe ich wieder hinein, schließe alles gut ab und gehe zu Fuß zu Frieda hinüber. Jojo und Frieda freuen sich sehr, dass ich wieder da bin, und sofort wird Teewasser aufgesetzt. Als hätte sie geahnt, dass ich heute komme, hat Frieda frischen Butterkuchen gebacken, und wir machen es uns draußen gemütlich. Natürlich muss ich unsere ganze London-Tour erzählen, und Frieda hört aufmerksam zu.
»Das klingt ja toll«, sagt sie. »Mein Hermann und ich waren immer nur im Schwarzwald. Und bei meinen Eltern in Ostfriesland. Die Queen hätte ich schon mal gern gesehen.«
Ich muss lachen, wie Frieda sich das vorstellt, als ob die Queen höchstpersönlich mal
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