Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
bin.
Carols und Peters Wohnung befindet sich in einem weißen, eleganten Gebäude in ›Queens Gate‹ in Kensington, einer schönen und sicheren Wohngegend in der Nähe vieler berühmter Museen. Als wir an Harrods in Knightsbridge vorbeifahren, werden Ninis Augen noch größer.
»Gehen wir da morgen mal hin?«, fragt sie. Carol und ich sehen uns nur an und lächeln. Das Schöne an unserer Freundschaft ist, wir können monatelang keinen Kontakt haben und dann ruft die eine die andere an, und wir reden zwei Stunden. Oder wir sehen uns nach Ewigkeiten wieder, und es ist, als hätten wir erst gestern einen Cappuccino zusammen getrunken.
Carol und ich haben eine Abmachung: Sind wir am Bodensee, reden wir Deutsch. Sind wir in London, reden wir Englisch miteinander. Obwohl da manchmal witzige Dialoge entstehen, weil mein Englisch bei Weitem nicht so gut ist wie ihr Deutsch, weswegen wir oft in einen Mix aus beiden Sprachen verfallen.
Wir bringen unser Gepäck in ihre Wohnung und frischen kurz unser Make-up auf. Denn der Abend ist zu jung, um ihn zu Hause zu verbringen, und Carol kennt ein neues Pub in Notting Hill, in dem wir zu Abend essen wollen. In Carols schicker Designerküche wird nämlich nur sehr selten gekocht, sehr zum Leidwesen Peters, der gutes Essen zu schätzen weiß. Da die beiden keine Kinder haben und gut verdienen, können sie natürlich oft in die tollsten Lokale zum Essen ausgehen – falls Peter dies nicht berufsbedingt schon getan hat. Carol gibt sich auch gern mit einem Salat und einem Apfel zufrieden, was der Hauptgrund für ihre schlanke Figur sein dürfte, Sport treibt sie nämlich keinen. Ihre knallrote Designerküche ist so ziemlich das Modernste, was man in ihrer großen Altbauwohnung findet. Die fünf Zimmer sind sonst mit Antiquitäten und edlen Ledermöbeln, aber auch Vintagestücken vom Flohmarkt und ausgefallenen Lampen ausgestattet. Man sieht an jedem Stück, dass Carol ein Händchen für Inneneinrichtung hat, aber das ist ja ihr Beruf. Trotzdem wirkt die Wohnung nicht so durchgestylt wie in einem Möbelhaus, im Gegenteil, durch die vielen Bücher, Kissen und Bilder entsteht eine unglaublich behagliche Wohlfühl-Atmosphäre, und ich kann mir gut vorstellen, dass die beiden nach einem anstrengenden Arbeitstag bei einem Gläschen Rotwein hier herrlich entspannen können.
»Du hast dein Geschäft im Moment geschlossen?«, frage ich Carol, als wir in dem Pub namens ›The cow‹ in Notting Hill sitzen und auf der Menükarte, auf der eine Kuh zu sehen ist, die Speisen aussuchen. Nini entscheidet sich für Black Gnocchi, und Carol und ich bestellen zusammen die ›Fruits de Mer‹, da diese hier absolut himmlisch sein sollen. Dazu wähle ich einen französischen Sauvignon Blanc (vielleicht könnte Leon ja hier mit seinen Bodenseeweinen ins Geschäft kommen), Nini nimmt eine Cola light und Carol … eine Flasche Wasser. Wasser? Carol ist bekannt dafür, dass sie uns alle, klein und zierlich, wie sie ist, unter den Tisch trinken kann. Ich sehe sie fragend an.
»Ja, weißt du, ich trinke im Moment keinen Alkohol«, sagt sie ausweichend.
»Was soll das heißen, du trinkst im Moment keinen Alkohol? Das hast du sonst höchstens gesagt, wenn ihr am Abend zuvor mal wieder eine Party mit viel zu vielen Cocktails gefeiert habt. So ein Gläschen Wein habe ich dich noch nie ausschlagen hören.«
Und auf einmal muss ich nur in ihre Augen sehen, um zu wissen, warum Carol keinen Alkohol trinkt. Und warum sie so gut aussieht und ein paar Pfund zugenommen hat. Und warum Peter alleine zu seiner Mutter gefahren ist, weil es ihr ›ein paar Tage nicht so gut ging‹.
»Carol, du bekommst ein Baby?«, frage ich sie leise.
Carol nickt glücklich und sagt: »Endlich. Wir haben so lange darauf gewartet. Ich habe schon gar nicht mehr geglaubt, dass ich jemals Mutter werde. Und dann wollte Peter diese Reise buchen …, nach Neuseeland.
Und auf einmal war ich schwanger.«
»Ach, Carol, ich freue mich so für euch. Seit wann weißt du es?« Ich stehe auf und umarme meine Freundin.
»Erst ein paar Wochen. Am Anfang war mir immer schlecht … und …«
Bei diesen Worten bricht Nini in Tränen aus und geht aus dem Raum.
»Oh, Entschuldigung, das muss furchtbar für sie sein«, sagt Carol betroffen.
»Na ja, eigentlich nicht. Nini ist ja froh, dass sie nicht schwanger ist. Aber ich glaube, diese schreckliche Zeit kommt ihr gerade wieder in Erinnerung. Wie sie sich gefühlt hat und welche Angst sie hatte, sie
Weitere Kostenlose Bücher