Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
Maja, rischtisch?«, fragt diese honigsüß. »Natürlisch kennen wir uns schon von der Modenshow in Salem. Übrigens: was für ein übsches Kleid? Little black dress, immer elegant«, versucht sie sich einzuschleimen.
Das kann ich auch und sage: »Ihr Kleid sieht auch sehr gut aus, Anouk. Und es passt so schön zu diesem herrlichen Sommerabend. Das war sicher viel Arbeit, dieses Fest vorzubereiten?«
Sie verdreht die Augen: »Oh, das können Sie mir glauben. Wir aben wirklisch jeden Tag bis spät abends gearbeitet. Aber es at sisch gelohnt, finden Sie nischt auch?«
Ihr Akzent ist wirklich sexy … Sie ist ausgesprochen nett zu mir, im Gegensatz zum Rest der Familie. Wir plaudern noch ein wenig über die gute Stimmung, dann zieht Leon mich weg, um mit ein paar Gastronomen ein Gläschen zu trinken. Alles, was in der Gastroszene Rang und Namen hat, scheint heute Abend hier zu sein. Ich erkenne die Wirte vom Buchhorner Hof, der Krone und der Traube aus Friedrichshafen ebenso wie die Wirte vom Seehof und Strandcafé Heinzler aus Immenstaad, vom Hagnauer Hof aus Hagnau, von der Residenz in Meersburg, vom Badhotel in Überlingen und vom Rosmarin in Ludwigshafen. Viele andere Wirte aus Lindau, Nonnenhorn, Friedrichshafen, Immenstaad, Hagnau, Meersburg, Unteruhlingen, Sipplingen und sogar Konstanz haben den Weg hierher gefunden und werden mir im Laufe des Abends vorgestellt. Da wir mit allen anstoßen, merke ich den Alkohol schnell und auch, dass Leon nicht mehr ganz nüchtern ist. Wenn ich Alkohol trinke, werde ich immer anhänglich, und deshalb versuche ich, Leon von den anderen wegzulotsen und hinter ein paar Bäume zu ziehen, um ein bisschen mit ihm zu schmusen.
Doch Leon lacht nur und meint: »Das heben wir uns für später auf, Schatz.« Immerhin geht er mit mir zur Tanzfläche, wo die Band gerade ›The last Waltz‹ von Engelbert spielt. Ich weiß, es ist eine Schnulze, aber ich liebe dieses Lied.
Eigentlich tanzt Leon gar nicht gerne, dabei kann er es richtig gut. Es ist inzwischen dunkel geworden, und mit den vielen kleinen Lämpchen und den Sternen über uns könnte die Stimmung nicht schöner und romantischer sein. Leider fordert der viele Wein seinen Tribut, und ich merke, dass ich eigentlich dringend die Toilette aufsuchen sollte. Da ich keine Lust habe, in den Toilettenwagen zu gehen, eile ich zum Haus. Natürlich ist Leons Haushälfte abgeschlossen, und ich will nicht noch mal zurückzulaufen, um den Schlüssel zu holen. Deshalb ziehe ich die hohen Schuhe aus und gehe um das große Haus herum, in der Hoffnung, dass vielleicht die Terrassentür offen ist. Ich bin schon fast oben, als ich bemerke, dass dort jemand sitzt. Auf der dunklen Terrasse, die fast nur vom Mondlicht angestrahlt wird, sitzt tatsächlich jemand im Gartenstuhl. Die Szene wirkt gespenstisch, und ich erschrecke ein wenig, aber ich erkenne schnell: Es ist Emily, die hier so unbeweglich dasitzt, als wäre sie ein Geist. Damit sie nicht auch noch erschrickt, mache ich mich bemerkbar, räuspere mich laut und sage: »Hi, Emily, bitte nicht erschrecken, ich bin’s, Maja.« Sie dreht langsam den Kopf. Da es wirklich dringend ist, entschuldige ich mich und gehe hinein. Wie üblich, ist hier alles wie in einer Möbelausstellung, auch die Gästetoilette, ein Traum in Weiß und Gold, sieht aus, als sei sie noch nie benutzt worden. Als ich zurückkomme, sitzt Emily unverändert da, und ich setze mich einen Augenblick zu ihr.
»Warum sitzt du alleine hier im Dunklen?«, frage ich sie. »Gefällt dir das Fest nicht?«
Zuerst glaube ich, sie hätte mich nicht richtig verstanden, dann erwidert sie leise: »Wenn du wüsstest, wie mich der ganze Käse hier manchmal ankotzt.«
Donnerwetter, solche Worte aus ihrem zarten Mund. Ich überlege daher gut, was ich darauf antworten soll: »Aber das Fest ist doch schön geworden. So viele Menschen sind gekommen und feiern mit euch. Da könnt ihr doch richtig stolz sein auf euer Weingut.«
Sie schnaubt verächtlich durch die Nase. »Ja, stolz …, natürlich bin ich das, warum auch nicht. Ist doch alles super hier.«
Wahrscheinlich hat Emily ein bisschen viel getrunken und hat deshalb jetzt einen Moralischen.
»Aber weißt du auch, wie anstrengend das ist?«, fährt sie fort und schaut mich an. »Nein, natürlich nicht. Du hast keine Ahnung, was bei uns läuft. Du kommst nur hin und wieder mal vorbei, um mit meinem Bruder zu schlafen, dann verschwindest du wieder.«
Moment mal. Ganz so ist es ja nicht
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