Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
gerade … Sie weiß schließlich genau, dass zu meinem Leben eine Tochter und ein Vollzeitjob gehören, und ich erinnere sie daran.
»Ja, ja, das weiß ich, aber von dem Leben hier hast du keine Ahnung. Meine Brüder interessieren nur das Weingut, die Reben, die Ernte, der Verkauf. Und meine Mutter …, dass alles hier gut läuft und ihr schönes geordnetes Leben nicht durcheinandergerät. Und Susann.«
Sie schnaubt verächtlich. »Die hat doch nur Geldausgeben und wie sie sich so schnell wie möglich das Erbe hier sichern kann, im Kopf.«
Meine Güte, das Mädchen hat ja ein echtes Problem.
»Emily, ich kann mir schon vorstellen, dass es für dich hier nicht immer einfach ist. Aber in welcher Familie ist es das schon? Dafür musst du dir nie über Geld Gedanken machen. Deine Existenz ist gesichert, das ist viel wert, glaub mir …« Der Alkohol hat auch meine Zunge gelöst. »Denkst du, für mich war es einfach, mein Kind alleine großzuziehen und für die Miete und alles immer alleine aufkommen zu müssen? Ich habe, im Gegensatz zu dir, kein Erbe zu erwarten, da mein Vater sehr krank war und früh gestorben ist.«
Sie wird einen Moment nachdenklich.
»Dein Vater auch? Dann weißt du ja, wie es ist. Ich vermisse meinen Papa furchtbar. Er hätte gewusst, was ich mit meinem Leben anstellen soll … Aber die anderen interessiert es doch einen Scheiß, was mit mir ist.« In diesem Moment tut sie mir richtig leid, und ich stehe auf und nehme sie in den Arm.
»Emily, ich glaube, du hast ein bisschen viel getrunken. Soll ich dich nach oben bringen?«, frage ich sie, obwohl ich nicht genau weiß, wie ich das anstellen soll, da ich selbst nicht mehr nüchtern bin.
»Du bist die Einzige, mit der ich mal reden kann«, antwortet Emily, und die Tränen beginnen zu fließen.
»Ich hab wirklich niemanden hier. Und meine so genannten Freunde, die interessiert doch nur, was ich anhabe und wo wir hingehen können, um Spaß zu haben«, schnieft sie weiter. Ich ziehe sie aus ihrem Stuhl, bevor sie noch mehr in Selbstmitleid zerfließen kann, und schleppe sie nach drinnen.
»Also, Liebe, wo ist dein Zimmer?« Und wir wanken nach oben. Ihr ›Zimmer‹ ist ein großes, ausgebautes Dachstudio, das sehr schön mit verschiedenen Einzelmöbeln aus gewischtem Holz eingerichtet ist. Ihr riesiges Eisenbett steht quer vor dem großen Fenster, so dass sie beim Einschlafen oder Aufwachen gleich den See sehen kann. Die Dekoration besteht aus wenigen, ausgesucht schönen Dingen aus Glas und Holz, und es gibt viele Kissen in Türkis- und Brauntönen. Ob Katharina das alles so zusammengestellt hat? Also, wenn es Emily war, dann hat sie wirklich Geschmack. Während ich mich umgesehen habe, ist Emily bereits auf ihr Bett gesunken, und noch bevor ich ihr aus ihrem Hippiekleid helfen kann, ist sie eingeschlummert. Auf ihrem Nachttisch entdecke ich eine Fotografie von einem sehr attraktiven jungen Mann. Komisch, ich kenne ja einige Freunde von ihr, aber den habe ich noch nie gesehen, der wäre mir aufgefallen. Ich lösche das Licht, gehe sicherheitshalber noch einmal zur Toilette und dann wieder hinaus zu den anderen.
Wo ist Leon? Ich kann ihn nirgends entdecken. Weder bei den Gastronomen noch bei seinen Golffreunden oder bei Katharina und ihrer Clique. Komisch, auch Nini ist nirgends zu sehen. Dabei hatte ich gehofft, sie würde nachkommen. Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und sehe, dass ich vier Anrufe in Abwesenheit hatte. Und eine SMS von Nini, in der steht:
›Hi, Mami. Sei nicht böse, aber wir kommen nicht mehr, sind mit ein paar Leuten bei Marcus. Hättest wahrscheinlich sowieso keine Zeit für uns, gell? Bis morgen, Küsschen Nini.‹
O Gott, ich hoffe wirklich, dass Nini regelmäßig die Pille nimmt. Vielleicht sollte ich strenger sein und darauf bestehen, dass sie abends pünktlich zu Hause ist? Andererseits kann auch am Nachmittag was passieren … Außerdem ist sie 17. In einem halben Jahr wird sie volljährig sein, und in vielerlei Hinsicht ist sie organisierter und vernünftiger als ich. Auf der Suche nach Leon werde ich von allerhand Leuten aufgehalten, die mit ihm bekannt oder befreundet sind und die alle ein Gläschen mit mir trinken wollen. So gut mir die Weine schmecken, ich halte mich jetzt lieber zurück und nehme mir stattdessen ein paar von den leckeren Häppchen, die bei den Freunden der Familie herumgereicht werden. Die Band spielt ›Lady in red‹ von Chris de Burgh, und ich beschließe, ein wenig den Tanzenden
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