Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
nur ein bisschen viel getrunken und so etwas wie einen Moralischen. Hab ich auch schon gehabt. Aber schlimm war es wirklich nicht, keine Sorge.« Und wir lächeln uns an.
»Tut mir leid, wenn ich dich so vollgequatscht habe …, du hast es eben einfach abgekriegt. Ich weiß gar nicht mehr genau, was ich alles gesagt habe, aber ich hoffe doch, das bleibt unter uns?« Sie schaut mich fragend an und legt ihre geschnittenen Rosen in den großen Korb.
»Natürlich. Weißt du, das macht mir nichts aus. Wenn du wüsstest, wie oft ich schon den Seelentröster gespielt habe«, und dann fällt mir ein, wie sie gestern gesagt hat, sie hätte niemanden, mit dem sie mal reden kann, und ich setze hinzu, »… also du siehst, ich bin bestens dafür geeignet, wenn du eine Schulter zum Ausheulen brauchst.«
Wir setzen uns und nehmen aus den alten Blumengestecken die verwelkten Rosen raus und geben gleich ein paar neue dazu. Dabei fällt mir auf, wie geschickt Emily sich im Gegensatz zu mir anstellt. Im Nu hat sie die Rosen gesteckt.
»Sag mal, dein Dachstudio, hast du das eigentlich selbst eingerichtet?« Sie sieht mich verwundert an.
»Ja, klar, wer denn sonst? Gefällt es dir?«
»Ja, es ist einfach wunderschön. Ich dachte, ein Innenarchitekt sei vielleicht am Werk gewesen.«
»Nein, Gott bewahre. Die gehen doch immer nach Schema F vor. Ich mag es, wenn es ein paar Stilbrüche gibt. Alte Sachen mit modernen kombiniert werden, weißt du. Die berühmte Designerin Tricia Guild, oder wie die heißt, hat mal gesagt, es gibt nichts Langweiligeres als komplett durchgestylte Wohnungen und Häuser. Man sollte immer für einen kleinen Stilbruch sorgen, und wenn es eine schräge Farbe ist, die eigentlich gar nicht dazu passt. So ähnlich hat sie das ausgedrückt, hab mal ein Interview von ihr gelesen, sie macht ja viel mit Farben.«
»Ja, man kann sehen, dass du dir beim Einrichten viele Gedanken gemacht hast, ist jedenfalls nicht 08/15.« Ich denke, dass sie einfach ein Händchen dafür hat und dies vielleicht ein toller Beruf für sie wäre. »Wie war eigentlich deine Zeit in Florenz?«, frage ich sie.
»Ach, Florenz …, das war ein einziger Traum. Nach dem Abi ging ich dorthin, weil mich Kunstgeschichte einfach interessiert. Aber letztendlich hat mich das Studium an sich eher gelangweilt. Dafür ist die Stadt einfach super, und es gibt so viel zu entdecken, gerade in künstlerischer Hinsicht, ganz zu schweigen von der italienischen Lebensart …«
So begeistert habe ich sie noch nie von etwas reden hören. Aber ehrlich gesagt, haben wir uns ja auch noch nie so lange und vor allem nie alleine unterhalten. Während sie mir von Florenz und ihrer Zeit dort erzählt, erkenne ich, dass sie eigentlich ganz anders ist, als ich es bisher angenommen habe. Von Satz zu Satz verschwindet immer mehr das Bild vom verwöhnten Töchterchen, das dort nur Papas Kohle auf den Kopf gehauen hat. So erfahre ich zum Beispiel, dass sie, um ihr Taschengeld aufzubessern, in einer Pizzeria ausgeholfen hat, und es dort an manchen Abenden richtig heiß herging und sie bis spät in der Nacht arbeiten musste. Donnerwetter, das hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Man muss die Menschen eben immer erst richtig kennenlernen, bevor man sich ein Urteil über sie erlauben kann, das stelle ich wieder einmal fest.
»Warum bist du dort weggegangen, wenn es dir so gut gefallen hat?«, frage ich sie.
»Ach, Maja. Das ist eine lange Geschichte …, irgendwann erzähle ich sie dir mal.«
Als wir mit unserer Arbeit fertig sind, verteilen wir alles auf den Tischen. Dann drückt Emily mir ein besonders schönes Rosengesteck in die Hand und sagt : »Hier, für dich, zum Geburtstag. Hab leider kein anderes Geschenk für dich … War übrigens schön mit dir heute.« Und sie umarmt mich kurz, bevor sie in ihrem weißen Kleid engelsgleich davonschwebt.
Inzwischen steht die Sonne hoch am Himmel und es kommen immer mehr Leute. Heute spielt eine Blasmusik-Kapelle und es gibt Bratwurst mit Kartoffelsalat. Typisch deutsch. Das wäre etwas für Steve, bei seiner Liebe zu Deutschland. Bei der Gelegenheit fällt mir ein, dass meine Mutter bestimmt schon versucht hat, mich zu erreichen. Ich suche Leon und frage ihn, ob es noch was für mich zu tun gibt oder ob er etwas dagegen hätte, wenn ich mich jetzt verabschieden würde. In der Nähe sehe ich Anouk stehen, und schadenfroh, wie ich bin, stelle ich fest, dass sie heute gar nicht gut aussieht. Offenbar ist sie wohl sehr spät ins
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