Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
wunderbar. Ich hatte schon versucht, dich zu erreichen. In deinem Büro, bei diesem Aschenbrenner. Aber da war nur eine dösige Angestellte, die mir sagte, du würdest nicht mehr dort arbeiten. Das wusste ich ja bereits, aber ich dachte, ich könnte vielleicht deine Telefonnummer aus ihr herausbekommen. Aber sie meinte, wenn ich ein Bekannter von dir wäre, dann hätte ich die ja wohl schon, und sie dürfe die nicht herausgeben …«
Ich kann nicht anders, ich muss grinsen, denn ich freue mich, dass er versucht hat, mich zu erreichen.
»Hatte sie vielleicht so einen osteuropäischen Akzent?«, frage ich ihn.
»Genau. Und sie wollte ganz genau wissen, wer ich bin und ob sie etwas für mich tun könnte und so weiter.« Er grinst wieder und setzt sich neben mich auf den Steg. »Und dann habe ich mich mit Herrn Aschenbrenner verbinden lassen und ihm erzählt, dass ich das Haus meiner Oma doch nicht verkaufen möchte.« Dabei sieht er mir tief in die Augen.
»Ach so, das war der Grund, warum du mich anrufen wolltest.« Fast bin ich ein bisschen enttäuscht.
»Ja, das war der Grund. Aber nicht der einzige …«
»Sondern?« Ich lächle ihn immer noch an.
»Ich wollte dich fragen, ob du vielleicht einmal mit mir segeln gehen möchtest?«
»Ja, gerne. Wann schlägst du vor?«
»Wie wär’s mit heute? Jetzt gleich.« Und schon ist er mit einem Satz auf seinem Boot und beginnt, die Persenning abzumachen.
»Jetzt gleich? Ich weiß nicht … Ich muss nach Hause … Nini wartet auf mich und überhaupt …«, zögere ich.
»Es ist so ein wunderschöner Tag, Maja. Sonne und Wind, wann haben wir das schon mal? Ruf Nini kurz an und frage, ob es in Ordnung ist, wenn du ein paar Stunden weg bist. Oder vielleicht möchte sie ja mitkommen? Denk daran: Uns gehört nur die Stunde. Und eine Stunde, wenn sie glücklich ist, ist viel.«
»Das ist hübsch. Ist das von dir?«, frage ich ihn, während ich immer noch überlege, ob ich wirklich einfach so mit ihm segeln gehen soll.
Er lacht. »Nein, leider nicht. Theodor Fontane. Toller Dichter, leider hab ich das meiste von ihm vergessen. Aber diesen Satz habe ich neulich mal wieder irgendwo gelesen und konnte ihn mir offenbar merken.«
Während er noch beschäftigt ist, das Boot startklar zu machen, telefoniere ich mit Nini. Ihre Stimme klingt noch immer traurig, aber sie erzählt mir, sie wollten ein paar Mädelsfilme anschauen und ich könne ruhig segeln gehen. Es täte ihr immer noch leid, dass ich ihretwegen die Rheintour abgesagt hätte. Nachdem ich ihr versichert habe, sie brauche absolut kein schlechtes Gewissen zu haben, da ich ja jetzt auch unterwegs bin, streiche ich alle Zweifel aus meinem Kopf, werfe meine Badetasche an Bord und hüpfe selbst hinterher.
*
Man wird es kaum glauben, aber obwohl ich am Bodensee geboren und aufgewachsen bin, bin ich noch nie gesegelt. Zum Glück scheint Christian über ausreichend Erfahrung zu verfügen, denn mit geübten Handgriffen hat er die Segel gesetzt und es geht los. Ich bin aufgeregt, denn ich weiß überhaupt nicht, was zu tun ist. Aber es macht unglaublich Spaß. In wenigen Minuten sind wir mitten auf dem See, und ich sitze hinten auf der Bank und halte sogar die Ruderpinne. Christian ruft mir immer zu, was ich tun soll, und erklärt mir so Begriffe wie anluven, also wie ich das Boot zur Windrichtung bewege, oder abfallen (mit dem Bug vom Wind weg). Wenn ich manchmal etwas falsch mache, kommt er lachend herüber zu mir und nimmt mir das Steuer aus der Hand. Mit dem heutigen Wind und der Sonne ist es einfach herrlich auf dem Wasser, und ich freue mich, dass ich mitgekommen bin. Im Nu segeln wir an Friedrichshafen vorbei Richtung Eriskircher Ried und Langenargen. Schon kann ich das Schloss Montfort sehen. Wie herrlich, diese schöne Gegend einmal vom Wasser aus zu betrachten.
»Wenn ich auf dem Wasser bin, fällt der ganze Alltagsstress von mir ab«, sagt Christian.
Etwas Ähnliches habe ich gerade eben selbst gedacht. Alle meine Sorgen und Ängste waren so weit weg wie der Horizont. Es gibt nur das Wasser, den Wind, der in den Segeln rauscht, und den Himmel über uns. In weiter Ferne sind das Ufer und die dahinterliegenden Berge zu sehen, wie auf einer Postkarte. Obwohl ich fast ein schlechtes Gewissen deswegen habe, fühle ich mich in diesem Moment wirklich glücklich.
»Hast du Hunger?«, fragt Christian.
An Essen habe ich, ehrlich gesagt, seit dem Frühstück nicht mehr gedacht, und ich höre ein leises Knurren
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