Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
gerechnet, dass er sie derartig im Stich lässt. Bei dieser Gelegenheit fällt mir seine Mutter wieder ein und der blöde Anruf gestern Abend. Besser, ich erzähle Nini jetzt noch nicht davon. Im Moment scheint es ihr gerade wieder ein kleines bisschen besser zu gehen.
Trotzdem verkrümelt sie sich nach dem Frühstück wieder in ihr Zimmer und hört düstere Musik. Wenn ich nur irgendetwas tun könnte, um sie ein klein wenig aufzuheitern. Ich versuche es mit dem Vorschlag, Eis essen zu gehen, aber dazu hat sie keine Lust. Am späten Nachmittag ruft Ninis Freundin Valerie an, und die beiden reden eine Weile am Telefon. Dann kommt Nini aus dem Zimmer und sagt: »Du, Mami, Valerie fragt, ob ich nicht ein bisschen zu ihr kommen will. Ich würde ja gern gehen, das wird mich bestimmt auf andere Gedanken bringen, aber …«
»Aber?«, hake ich nach.
»Aber dann wärst du ja ganz alleine hier, und du bist doch extra meinetwegen hiergeblieben.«
»Wenn du dich besser fühlst und dich das auf andere Gedanken bringt, dann geh nur«, antworte ich, erleichtert, dass meine Tochter vorhat, wieder am Leben teilzunehmen.
»Wirklich? Mami, ich hab so ein schlechtes Gewissen, weil du meinetwegen auf deine Tour mit Leon verzichtet hast, … und jetzt lass ich dich hier einfach allein.« Sie sieht ehrlich geknickt aus.
»Aber Nini, das brauchst du nicht zu haben. War doch klar, dass ich bei dir bleibe. Ich glaube, mir würde es jetzt auch guttun, ein bisschen an die frische Luft zu kommen. Also geh nur zu Valerie …, ohne schlechtes Gewissen, hörst du? Ich werde ein bisschen Rad fahren und mir irgendwo ein Eis holen. Oder ich besuche Frieda und Jojo.« Das ist nicht einmal gelogen. Ich bin wirklich froh, dass es Nini besser geht. Und ein bisschen frische Luft kann auch mir nicht schaden.
Kapitel 17
Der Segeltörn
Es ist immer noch sehr heiß draußen und ich beschließe, den Bikini unter die Shorts zu ziehen. Vielleicht kann ich bei Frieda kurz in den See hüpfen. Dieser August ist wirklich traumhaft schön und entschädigt uns für das wechselhafte Wetter im Frühling. Ich genieße den Sonnenschein, denn die Sorgen um Nini haben mich ganz schön mitgenommen. Vor allem dieser dumme Streit mit Leon. Ich finde, er hat sich einfach blöd verhalten. Auch wenn ich verstehen kann, dass er sauer war, weil ich nicht mitgefahren bin. Aber spätestens, seitdem er den Grund dafür erfahren hat, hätte er einlenken können und wenigstens ein bisschen Verständnis heucheln, statt mir die Schuld an dem ganzen Dilemma zu geben. Daran sieht man mal wieder, dass Leon nie Kinder hatte. Mit Kindern muss man so viel von seinen Prinzipien über den Haufen werfen und sich blitzschnell auf neue Situationen einstellen und manchmal eben verzichten , auch wenn es schwerfällt.
Sofort, als ich in die friedliche Seestraße in Nußdorf einbiege, fallen die Sorgen von mir ab. Die Sonne steht schon reichlich tief, und die vielen hohen Bäume spenden Schatten, was bei der Hitze richtig guttut. Ich stelle mein Fahrrad bei Frieda ab, gehe mit meiner Badetasche durch den Garten zur Terrasse und rufe laut : »Hallo, Frieda, hallo, Jojo!«, damit sie nicht erschrickt, falls sie gerade ein Schläfchen hält. Sie scheint allerdings gar nicht da zu sein, denn auf mein Klingeln öffnet niemand, und auch von Jojo ist nichts zu hören und zu sehen.
Darum beschließe ich, mal wieder zur ›Butterblume‹ hinüberzugehen – mein Fahrrad lasse ich allerdings hier stehen, dann sieht Frieda gleich, dass ich da war.
Wie jedes Mal, wenn ich das Grundstück betrete, habe ich das Gefühl, hier zu Hause zu sein. Eigenartig, denn eigentlich betrete ich ja fremdes Terrain. Ob das nicht sogar Hausfriedensbruch ist, was ich hier mache? Egal, ich schalte meine Zweifel aus und gehe um das Haus herum zum Steg. Wie herrlich die Sonne scheint. Ich kann nicht anders, ich muss die Schuhe ausziehen und die Füße ein bisschen ins Wasser halten. Über mir höre ich ein Brummen – der Zeppelin fliegt gerade direkt über mir. Durch das laute Geräusch habe ich offenbar nicht gehört, dass noch jemand gekommen ist.
»Hallo, Maja. Das ist ja eine schöne Überraschung!« Christian steht vor mir und grinst so unverschämt frech wie eh und je. Ich weiß nicht, warum mein Herz so laut klopft, ob vor Schreck oder vor Freude, ihn zu sehen.
»Christian, äh …, hallo! Sorry, dass ich hier bin …, aber ich wollte …« Mein Gott, was stammle ich da für einen Mist zusammen.
»Das ist doch
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