Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
befreundet. Vielleicht haben Sie ja schon von mir gehört?« Fast klingt es wie früher, wenn die Mutter einer Freundin von Nini anrief, um sie zum Spielen einzuladen. Doch ich fürchte, dass der heutige Anruf einen anderen Hintergrund hat. »Sie können sich sicher denken, warum ich anrufe?«, säuselt sie weiter. Mein Gott, kann sie nicht ein bisschen lauter sprechen? Vor meinem geistigen Auge sehe ich eine elegante Frau im grauen Leinenkleid (ja, wie das aus dem Modehaus Singer), die in ihrem wunderschönen Wohnzimmer in einem teuren Ledersessel vor dem Fenster sitzt und auf den vor ihr liegenden Park blickt. Doch wie passt das zu dem Joint, den sie geraucht haben soll?
»Ja, ich glaube schon. Nett, dass Sie sich melden«, antworte ich darauf.
»Nun, Marcus hat mir erzählt, was passiert ist.« Sie hat ein Lächeln in der Stimme.
»Wissen Sie, wir reden zu Hause über alles.« Das ist ja schön. Das tun wir allerdings auch, obwohl ich keine Psychologin bin. »Guuuuut«, sagt sie weiter. »Es gibt da ja jetzt dieses … ›Probleeeeeeem‹ …« Ich höre sie tief ausatmen. Macht sie etwa Yoga nebenbei?
»Und da müssen wir uns nun gemeinsaaaaaam eine Lösung überlegen.« Dieses ›Problem‹ und ›gemeinsam‹ spricht sie lang gezogen und gedehnt aus.
»Frau Kofler, noch ist es doch gar nicht sicher.« Ich erzähle ihr von dem Test, den ich heute gekauft habe, und dass ich mit Nini am Montag zum Arzt gehen werde.
»Tja, das hätten Sie meiner Meinung nach vorher tun sollen, meinen Sie nicht auch?«
Ihre Stimme wirkt nun etwas verärgert.
»Aber das haben wir doch«, gebe ich zurück.
Das zweite Mal heute Abend muss ich mich verteidigen, als sei ich schuld, dass Nini jetzt schwanger ist.
»Nun, wenn das so wäre, hätten wir doch jetzt nicht dieses Probleeeeeeem, nicht wahr?«, antwortet sie besserwisserisch. »Wie auch immer: Sie wissen vielleicht, dass wir große Pläne mit unserem Sohn haben? Er wird nach Harvard gehen und dort studieren.«
»Ja, das hat Nini mir erzählt. Freut mich für ihn«, antworte ich. Inzwischen bin auch ich nicht mehr ganz so freundlich.
»Und das Letzte, was er jetzt brauchen kann, ist die Verantwortung für ein Baby. Wenn Sie verstehen, was ich meine.« Und ob ich das verstehe.
»Vorher machen wir noch eine Australien-Rundreise. Ich wollte, dass Sie wissen, dass Marcus keine Möglichkeit haben wird, sich um Ihre Tochter … zu kümmern . Ich denke, Sie wissen, was zu tun sein wird.«
Frau Psychologin hat ihre Säuselstimme in einen eiskalten Befehlston verwandelt. Ich bin so empört, dass ich gar nichts darauf sagen kann. Wahrscheinlich fällt mir die passende Antwort ohnehin erst hinterher ein.
»Wie ich von Marcus weiß, sind … Ihre finanziellen Möglichkeiten … sagen wir einmal … begrenzt. Sollten Sie daher etwas brauchen, ich meine …, wir helfen Ihnen gern …«
Ich habe keine Lust, mich von dieser Kuh weiter demütigen zu lassen, aber zwinge mich, ruhig zu bleiben, und antworte dann mit ebenso kühler Stimme: »Vielen Dank, Frau Kofler, für das großzügige Angebot. Aber meine Tochter und ich kommen schon zurecht. Sehr gut sogar. Egal, was sich herausstellen wird oder wie Nini sich entscheiden wird, wir werden Sie davon in Kenntnis setzen. Doch ich hoffe und bete wirklich inständig, dass meine Tochter kein Kind von Ihrem Sohn bekommt. Ich wünsche Ihnen einen schönen Urlaub.«
Ich lege auf und bin so wütend. Was bildet die sich eigentlich ein?
*
In der Nacht schlafe ich erwartungsgemäß sehr schlecht und ich höre auch Nini einige Male herumtapsen. Am nächsten Morgen stehe ich früh auf, um nicht Ninis Gang zur Toilette zu verpassen. Als sie aus ihrem Zimmer kommt, sieht sie furchtbar elend aus. Ich drücke ihr den Test in die Hand und erkläre kurz, wie er funktioniert. Dann koche ich uns einen starken Kaffee.
Die Minuten kommen uns vor wie Stunden, aber endlich liegt das Ergebnis vor uns: Nur eine violette Linie ist deutlich zu sehen. Das heißt, Nini ist nicht schwanger. Vor Erleichterung kommen uns beiden die Tränen. Hundert Prozent sicher können wir aber erst sein, wenn wir beim Arzt waren. Trotzdem geht es Nini schon viel besser, und wir gönnen uns erst einmal ein ausgiebiges Frühstück auf dem Balkon.
»Willst du nicht gleich Marcus Bescheid geben?«, frage ich sie.
Sie schüttelt den Kopf, und ich ahne, wie sehr sein Verhalten sie verletzt haben muss. Immerhin war sie so verliebt in ihn und hat sicher nicht damit
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