Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Butterschmalz zum Fruehstueck

Butterschmalz zum Fruehstueck

Titel: Butterschmalz zum Fruehstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Jursch
Vom Netzwerk:
Nation, die die Japaner an Langlebigkeit übertrifft. Der Markt ist ein Augenschmaus, aber ich befürchte, dass die Waren kein Fest für meinen Gaumen sind.
    Wir gehen weiter zum Kyotoer Bahnhof und ich wette alles, dass er als Vorlage für den Berliner Hauptbahnhof gedient hat, obwohl er ein bisschen stabiler gebaut worden sein dürfte. Das Dach sieht aus wie in der deutschen Hauptstadt, aber hier ist bisher bei Sturm noch keine Traverse runtergekracht. Der Bau war damals eine Mordsmauschelei und die Kosten sind bis heute unbekannt. Der Bahnhof ist überall weihnachtlich geschmückt. Weihnachtsbäume und Geschenke blinken, bekannte Melodien rieseln in unsere Ohren. Ich trage Sandalen und T-Shirt.
    Vom Bahnhof hat man einen tollen Blick über die Stadt, und so kann man auch den Eiffelturm sehen, bzw. einen Turm, der noch ein paar Meter höher ist als sein Vorbild in Paris. Bringt aber nichts, da der Kyotoer Eiffelturm zwischen lauter gleich hohen Hochhäusern eingekeilt ist und man ihn erst sieht, wenn man davorsteht.
    Abends gehe ich mit paar wenigen Mitreisenden, die sich noch tapfer halten, ins Gion -Corner. Ein Theater, in dem man im Schnelldurchlauf Kunst und Kultur in Japan präsentiert bekommt. In kurzen Darstellungen von ein paar Minuten erleben wir zunächst eine Teezeremonie, die an das Ritual des Meßweintrinkens eines christlichen Pfarrers erinnert. Dann spielen zwei Frauen auf einer Koto, einem ungefähr zwei Meter langen, dreizehnsaitigen Instrument, während eine andere Frau ein kunstvolles Blumengesteck arrangiert.
    Als Nächstes ist die Gagaku -Hofmusik dran, und manchmal ist es für europäische Ohren ein Grund zur Freude, dass man etwas nur fünf Minuten hören muss. Zwar ist der rot verkleidete Tänzer interessant anzuschauen, aber die Musik ist schräg und schrill. Ich bin überzeugt, dass sich das so anhören muss, aber für westliche Hörgewohnheiten klingt es, als ob die Instrumente verstimmt wären.
    Ein volkstümliches Stück zeigt uns, wie Freunde sich gegenseitig austricksen. Dass sie sich austricksen, verstehe ich. Warum, allerdings nicht. Wahrscheinlich geht es mal wieder um eine Frau.
    Beim Kyomai -Tanz, vorgeführt von zwei Maikos , können wir endlich einen kleinen Eindruck davon bekommen, was in den Teehäusern vor sich geht. Jede Bewegung sitzt, auch die Fingerhaltung ist sehr elaboriert. Das Tempo ist langsam, die Instrumentalisierung sehr sparsam eingesetzt.
    Zum Schluss ist ein Bunraku -Puppenspiel dran. Schwarzgekleidete Männer mit spitzen schwarzen Kapuzen, die den Kopf und das Gesicht bedecken, bewegen eine knapp einen Meter große Puppe. Diese unheimlichen Männer interessieren mich mehr als die Empfindungen der Puppe, die einen Brief erhält, der sie aus der Fassung bringt.
    Wieder im Hotel, beschließe ich zu baden. Das Hotel hat in der obersten Etage ein Badehaus, und so kann man im Becken hängen und über die Lichter Kyotos blicken. Es wimmelt von Japanerinnen, sodass ich diesmal mein Schamtüchlein benützen muss. Nach einer Weile fühle ich mich aufgequollen und wie verkocht und möchte mir nach guter deutscher Sitte eine kalte Dusche verpassen, aber das geht nicht. Die Japanerinnen haben mich visuell fest im Griff, und als ich den Temperaturregler der Dusche auf „kalt“ stelle, kommen sofort zwei Frauen herangeschossen, reden wild auf mich ein und drehen mir das Wasser wieder warm. Ich hoffe, einen Moment zu erwischen, in dem ich der Sichtkontrolle entgehen kann, aber ich werde von allen Seiten aufmerksam fixiert, sodass ich nach wie vor verbrüht den Rückzug antreten muss.

9. November 2007

Glücksdrachen und Powershopping
    Wir fahren zum Kiyomizu -Schrein, dem Hausschrein Kyotos, der voller Menschenmassen ist. Eine schwarze Masse schiebt sich durch, Abertausende von Schulklassen in Uniform. Der Legende nach kommt nachts hier die Kannon in Form eines Drachens runter und trinkt. Drachen sind hier Glückstiere, und die Kannon passt wirklich gut auf Kyoto auf. Erdbeben und andere Katastrophen haben die Stadt stets glimpflich behandelt.
    Hier fließt oben aus einem Felsen eine dreistrahlige Quelle, aus der man trinken kann. Auf einem Balkon stehend, hält man einen Becher, der an einem langen Stab befestigt ist, unter den Strahl seiner Wahl. Die Strahlen stehen für Geld, Gesundheit und ein langes Leben. Man darf aber nur aus zwei Quellen trinken. Trinkt man aus allen Dreien , dann verkehrt sich ihre Wirkung ins Gegenteil.
    Wir besuchen den Friedhof, der grau ist

Weitere Kostenlose Bücher