BY702 - Heroin in harten Händen
nicht. Aber ich wußte genau, daß mir der Träger des Ringes nicht entkommen würde.
***
Irgendwo schlug eine Kirchturmuhr. Dreimal. Fünfundvierzig Minuten nach Mitternacht. Der schwarze Chrysler stand mit geöffnetem Schlag auf einem schmalen, von niedrigem Buschwerk gesäumten Feldweg. Links stieg eine Böschung steil an, rechts senkte sich der Hang in sanften Wellen bis hinunter ins Tal, wo vereinzelte Lichter die Lage der Stadt markierten. Auf halber Höhe des Hanges war das Zuchthaus zu erkennen: ein massiger schwarzer Klotz, beleuchtet lediglich von ein paar trüben Funzeln, die man mehr ahnte als sah.
Bill Carnegie stand aufrecht vor dem Wagen und rauchte eine Zigarette. Neben ihm stützte sich der Professor schwer auf die Kühlerhaube. Baby Lome saß hinter dem Steuer. Jetzt streckte er seinen blonden Schopf nach draußen und sagte leise: »Fast ein Uhr. Sie müßten bald kommen.«
»Gib mir das Fernglas!« Carnegie warf mit einer knappen Bewegung die Zigarettenkippe ins Gebüsch. Baby Lome reichte ihm das Glas aus dem Wagen. Lautlos und geschmeidig wie ein Panther kletterte Carnegie die Böschung hinauf und richtete sich federnd auf. Dann stellte er den Feldstecher ein, bis er eine bestimmte Stelle der Zuchthausmauer im Blickfeld hatte. Die Sicht war miserabel. Carnegie mußte sich so scharf konzentrieren, daß er ein leises Geräusch in seiner Nähe überhörte.
Sergeant Whisby lag oberhalb der Böschung flach auf dem Bauch, den Dienstrevolver griffbereit neben sich, und beobachtete den Mann, der nur wenige Meter von ihm entfernt mit dem Fernglas hantierte.
Bill Carnegie fluchte halblaut. Dann plötzlich richtete er sich auf, angespannt wie ein Raubtier vor dem Sprung. Hinter der Mauer, die das Zuchthaus umgab, bewegte sich ein schwacher Lichtschimmer, blitzte zweimal auf und verschwand. Dann flog irgend etwas über die steinerne Kante. Das mußte die Strickleiter sein.
»Sie kommen!« rief er leise zum Wagen hinunter.
Sergeant Whisby schloß vorsichtig die Hand um den langläufigen Smith and Wesson. Seine Augen waren vor Erregung hervorgetreten, und sekundenlang hatte er das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Er japste wie ein Fisch auf dem Trockenen.
Carnegie hatte immer noch das Fernglas vor den Augen. Er beobachtete eine schattenhafte Gestalt, die sich auf die Mauer schwang, einen Augenblick verhielt, dann nach unten in die Dunkelheit tauchte. Ein zweiter Mann folgte, dann ein dritter. Geklappt! Der Professor hatte ausgezeichnete Generalstabsarbeit geleistet, die Sache war gelaufen wie am Schnürchen. Carnegie nickte befriedigt und wollte gerade das Fernglas sinken lassen.
Dann stutzte er.
Da war noch ein vierter Mann, deutlich zu erkennen auf der Mauer. Er schien die Strickleiter nachzuziehen, sprang dann ebenfalls nach unten.
»Verdammt!« fluchte Carnegie laut. Seine eiserne Beherrschung ließ ihn einen Augenblick im Stich, sein Gesicht verzerrte sich vor Wut zur häßlichen Grimasse. Mit einem Ruck nahm er das Glas von den Augen und rutschte die Böschung hinunter.
»Alles in Ordnung?« fragte Rimski leise.
»Nichts ist in Ordnung!« Carnegie zischte wie eine Schlange. »Diese Idioten bringen außer dem Iren noch jemand anderen mit. Sie sind zu viert, verstehst du! Die Sache riecht faul!«
»Noch einen anderen?« Baby Lorne hatte deh Wagen verlassen. Er starrte prüfend in die Richtung, aus der die anderen kommen mußten. In seiner Hand lag eine kleine Pistole. »Was soll das heißen?« fauchte er. »Ich lasse mich nicht reinlegen! Mit mir nicht! Mit mir…«
»Steck das Schießeisen weg, Junge!« Carnegie hatte seine Beherrschung wiedergefunden. »Wir werden ja sehen, was die Sache zu bedeuten hat.«
»Vermutlich irgendein Trick des verdammten Iren.«
»Er wird ohnehin bald mit seinen Tricks am Ende sein. Also, steck die Kanone ein, und setz dich ans Steuer.« Baby Lorne gehorchte. Carnegie hatte sich wieder neben dem Professor aufgebaut, ruhig wie immer. Nur seine Augen funkelten gefährlich.
Schweigend standen sie in der Dunkelheit und warteten.
Sergeant Whisby nestelte seine Taschenlampe aus dem Hosengurt und zog die Knie an, sprungbereit.
Dann kamen sie.
Alf Tagert ging voran, sein Bruder John machte den Schluß. Er humpelte, schien sich den Fuß verstaucht zu haben. Zwischen ihnen eine breitschultrige Herkulesgestalt: Mike O’Neill, der Ire. Er überragte die anderen um Haupteslänge. Mit langen wiegenden Schritten kam er den Hang herauf, zwei mächtige Fäuste
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