BY703 - Der Boß schickt den Curare-Killer
Telefonistin knüllte ihr Taschentuch zusammen.
»Vor drei Jahren habe ich dort angefangen. Vorher arbeitete ich in einer anderen Bank.«
»Und wann haben Sie Stevens kennengelernt?«
»Das muß etwas mehr als ein Jahr her sein.« Ihre geröteten blauen Augen bekamen einen glasigen Schimmer. »Er wurde von der Zweigstelle in New Orleans hierher versetzt.«
»In Ihrem Telefonverzeichnis haben Sie sich die Nummer der Mordkommission notiert, Miß Collins?«
Sie blickte mich erstaunt an. »Woher wissen Sie das?«
Ich setzte ein freundliches Lächeln auf. »Ein Mord passiert leider nicht sehr selten in New York. Aber jedesmal rufen die Leute das zuständige Polizeirevier an, das dann von sich aus die Mordkommission verständigt. Sie haben diesen üblichen Weg umgangen. Warum?«
Das Mädchen wurde verlegen. »Ich sagte Ihnen ja schon: Anfangs hielt ich Jonathans Befürchtungen für albern. Aber dann sagte ich mir, daß ein erwachsener Mann nicht dauernd solchen Unsinn reden kann, ohne daß etwas Ernstes dahintersteckt. Er selbst hat mir vor einigen Tagen die Telefonnummer der Mordkommission gegeben.«
Ich gab mich fürs erste damit zufrieden, obwohl ich nicht glauben konnte, daß Mandy Collins den wahren Grund für ihr Verhalten nach dem Mord genannt hatte. Die hübsche Blondine machte einen überaus sympathischen Eindruck. Dennoch hatte ich den leisen Verdacht, daß ihre Beziehungen zu Stevens nicht nur aus persönlicher Zuneigung bestanden hatten.
»Eine letzte Frage, Miß Collins. Mit welchen Leuten beziehungsweise mit welchen Firmen stand Stevens in geschäftlicher Verbindung?«
Sie überlegte kurz. »Eigentlich nur mit Exporthäusern. Er leitete nämlich unsere Abteilung Dokumenten-Export. Dann gab es natürlich noch Kontakte mit befreundeten Banken, die ebenfalls Überseegeschäfte für Handelsfirmen abwickeln. Privat hatte Jonathan sonst keine Bekannten. Er war ja erst kurze Zeit in New York.« Ich nickte.
»Das genügt. Wenn sich noch Fragen ergeben sollten, kann ich Sie in der Bank erreichen, nicht wahr?«
»Selbstverständlich, Mr. Cotton. Nur morgen fange ich erst um zehn Uhr an. Ich habe mir eine Stunde freigenommen. Ich möchte ausschlafen.« Zum erstenmal lächelte sie mich an.
Ich verabschiedete mich und ging zurück zur Ecke Third Avenue, wo ich den Jaguar abgestellt hatte. Bis zum FBI-Distriktgebäude schaffte ich es in wenigen Minuten.
Phil hatte mir einen Zettel auf den Schreibtisch gelegt: »Morgen früh brauche ich deinen Omnibus nicht. Wandle in den Fußstapfen von Banana-Bernie.« Erst jetzt fiel mir wieder ein, daß ich ja eigentlich einen freien Nachmittag hatte genießen wollen. Bernard Myers war also noch nicht geschnappt worden. Innerlich stellte ich mich darauf ein, daß in den nächsten Stunden aus irgendeiner Ecke von New York ein Anruf kommen würde, der uns erneut eine Spur des gefährlichen Killers bringen würde. Dann aber mit Sicherheit eine blutige Spur…
Ich überflog die Eingänge. In den Nachmittagsstunden hatten sie sich angehäuft. Eine Kopie des Laborbefundes über den Mord in der Bank of Tokyo war darunter. Die Stadtpolizei hatte den Fall inzwischen an den FBI übergeben. Als Todesursache geben die Fachleute ein Blasrohrgeschoß mit dem indianischen Pfeilgift Curare an. Wie vermutet.
Die Arbeitsweise des Mörders wurde in dem Bericht eingehend erörtert. An dem frischen Klebstoff unter dem herausgetrennten Fußbodenbelag aus dem Aktenraum über dem Mordzimmer hatten die Laborexperten festgestellt, daß die Todesapparatur etwa zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens fertig eingebaut gewesen war. Danach mußte der Killer am Abend vorher gegen elf Uhr mit der Arbeit in der Bank begonnen haben.
Ich beschloß, Feierabend zu machen.
»Mr. High erwartet Sie morgen früh zu einer Besprechung, Jerry«, erklang die rauchige Altstimme unserer reizenden Telefonistin Myrna, die in dieser Woche Nachtdienst hatte. Eine halbe Stunde später holte ich in meinem Apartment das Bad nach, das ich am Nachmittag nicht mehr geschafft hatte.
***
Patrolman Howard Cobb warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Noch fast eine halbe Stunde bis Mitternacht. Er setzte seinen Rundgang durch die schwach beleuchteten Straßen nahe der Hafenanlagen von Brooklyn fort. Verdammt ruhig heute, dachte der junge, breitschultrige Polizeibeamte. Seit einem Jahr war er in diesem Revier eingesetzt. Er kannte die Gegend zwischen East River und Myrtle Avenue bereits wie seine Westentasche. Mehrere Kneipen
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