BY706 - Im Magoon-Club saß mein Henker
dem Schlafanzug einen leichten Morgenmantel.
»Jerry, altes Haus!« rief er. »Das darf doch nicht wahr sein!«
»Wir möchten hier keine Wurzeln schlagen«, sagte ich lächelnd. »Dürfen wir ’reinkommen?«
»Blöde Frage«, schimpfte er. »Du bist mir genauso lieb wie der Geldbriefträger.«
Wir traten in die kleine Diele eines Zweizimmerapartments. »Mein Freund und Kollege Phil Decker«, stellte ich vor.
»Ich kenne Sie«, sagte Jim zu Phil und schüttelte ihm die Hände.
Unterwegs hatte ich Phil erklärt, wer Jim Stafford war, so daß ich mir jetzt lange Erklärungen sparen konnte. Er stammte aus meinem Heimatort und war in Washington als Korrespondent einer Zeitung tätig.
Als ich in Washington landete, hatte ich mich an ihn erinnert. Im Telefonbuch fand ich seine Adresse, die ich Phil bei unserem ersten Zusammentreffen gegeben hatte.
Er führte uns ins Wohnzimmer und entfaltete sofort eine rege Tätigkeit. »Habt ihr schon gefrühstückt?«
»Nein«, sagte Phil schnell. »Und ich gebe es zu, wir haben einen Mordshunger.«
Wir gingen gemeinsam in die angrenzende Küche und halfen Jim bei den Vorbereitungen. Während sich Phil um einen starken Kaffee bemühte, erzählte ich Jim, was uns nach Washington führte.
Er war sehr nachdenklich. »Hm«, sagte er. »Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber der Magoon-Club steht schon lange auf meiner Liste. Ich…«
»Warte einen Augenblick«, unterbrach ich ihn. Ich blickte auf die Uhr. »Dürfen wir mal telefonieren?«
»Natürlich.«
Phil ging ins Wohnzimmer und ließ sich die Verbindung mit New York geben, LE 5-7700. Mit halbem Ohr hörte ich auf das Gespräch, mit dem anderen hörte ich Jim zu.
»Du mußt wissen, Washington ist ein richtiges Nest, ein Klatschnest. Besonders in Joumalistenkreisen gibt es nichts, was wir nicht durchhecheln. Das bringt die Atmosphäre so mit sich. Ich glaube, das ist überall in der Welt so. Wo Diplomaten Zusammenkommen und Journalisten ihr Brot mit sehr viel Politik verdienen, blühen auch der Klatsch und die Gerüchtemacherei.«
»Was hat das mit unserem Fall zu tun?«
»Vielleicht nichts, vielleicht auch sehr viel. Sicher ist, daß im Magoon-Club allerhand los ist. Dort trifft sich das halbe diplomatische Corps. Es wimmelt von Agenten aus aller Herren Ländern. Es ist ein interessantes, aber auch heißes Pflaster.«
»Du kennst den Club?«
»Natürlich.«
»Dann wird dir auch das Zigarettenmädchen…«
»Gloria?«
»Ja.«
»Ein reizendes Ding.«
»Sie war es, die uns heute nacht aus dem Schuppen geholt hat.«
Jim pfiff durch die Zähne. »Das wird der Kleinen aber nicht gut bekommen. Hast du das bedacht, Jerry?«
»Selbstverständlich. Hinterher hat sie uns einfach sitzenlassen. Wir wissen nicht einmal, wo sie wohnt.«
Jim grinste. »Ich weiß es. Wir werden gleich bei ihr anrufen.«
Wir schleppten das Frühstücksgeschirr ins Wohnzimmer.
Phil legte gerade den Hörer auf.
»Hast du den Chef erreicht?« fragte ich.
»Ja.«
»Und?«
»Ich habe berichtet, was zu berichten war.«
»Keine neuen Weisungen?«
»Keine. Wir haben alle Vollmachten und sollen tun, was wir für notwendig halten.«
Jim versuchte inzwischen, Gloria zu erreichen. Nach einiger Zeit gab er es auf.
Wir setzten uns an den Tisch, gossen Kaffee ein und aßen dazu Toastbrot.
Jim war sehr nachdenklich. »Ich kenne Gloria gut«, sagte er nach einer Weile. »Um diese Zeit ist sie immer zu Hause, wenn es heute anders ist, kann das nur eines bedeuten…«
»Was?« fragten Phil und ich wie aus einem Mund.
»Sie ist abgehauen.«
»Wohin?«
Jim sprang auf. »Kommt«, sagte er. »Wir sollten uns beeilen. Vielleicht haben wir Glück!«
Wir ließen alles stehen und gingen hinunter in die Garage. Dort hatte Jim einen nagelneuen Ferrari stehen. Er liebte schnelle Wagen genauso wie ich. Vielleicht lag das daran, daß wir einen gemeinsamen Heimatort hatten.
***
»Weiter«, sagte die Stimme aus dem Lautsprecher.
»Gloria ist spurlos verschwunden. Wir fanden ihn in ihrer Wohnung. Erschossen, Chef.«
»Gloria?«
»So sieht es aus, Chef«, sagte Morelli, der Geschäftsführer vom Margoon-Club.
»Gloria muß unbedingt gefunden werden. Tot oder lebendig. Ebenso die beiden G-men. Sie halten sich noch in Washington auf. Unsere Leute halten die Ausfallstraßen besetzt, ebenso die Flugplätze und Bahnhöfe. Ich glaube nicht, daß die beiden kneifen. Sie werden vielmehr versuchen, an uns heranzukommen. Das darf auf keinen Fall geschehen, die
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