Byrne & Balzano 02 - Mefisto
gewisse Festigkeit zu verleihen, hörte er sich schrecklich ängstlich an. Jessica hatte beinahe Mitleid mit ihm, aber nur beinahe.
»Hier ist niemand, der so heißt«, drang es aus dem Lautsprecher.
Jessica hob den Blick. Die Überwachungskamera über ihnen schwenkte nach links, dann nach rechts. Jessica blickte augenzwinkernd ins Objektiv. Sie war sich nicht sicher, ob es hell genug war, dass die Kamera es erkennen konnte, aber den Versuch war es wert.
»Jackie Boris schickt mich«, sagte Kilbane. Es klang wie eine Frage. Kilbane warf Jessica einen Blick zu und zuckte mit den Schultern. Es dauerte beinahe eine volle Minute, bis der Summer ertönte. Kilbane stieß die Tür auf. Sie alle betraten die Eingangshalle des Hauses.
Die alte holzgetäfelte Theke, die sie rechter Hand erblickten, war vermutlich in den Siebzigern zum letzten Mal aufpoliert worden. An der Fensterseite standen zwei schmutzfleckige preiselbeerfarbene Samtsofas, gegenüber zwei Sessel. Der viereckige Couchtisch in der Mitte bestand aus Chrom und einer Rauchglasplatte, auf der zehn Jahre alte Pornohefte lagen.
Die Tür, die in die Lagerhalle führte, schien hier das Einzige zu sein, was aus den letzten zwanzig Jahren stammte. Es war eine Stahltür, die mit einem dicken Balken und einem elektronischen Schloss gesichert war.
Vor der Tür saß ein Mensch mit der Physiognomie und den Ausmaßen eines Rausschmeißers. Mit seinen breiten Schultern und der kräftigen Statur sah er aus wie ein Wächter vor dem Höllentor. Sein Schädel war rasiert und von Falten überzogen. In einem Ohr hing ein großer Bergkristall. Der Gorilla trug ein schwarzes Netzhemd und eine schwarze Stoffhose. Er saß auf einem unbequemen Plastikstuhl und las in einer Motorradzeitschrift. Gelangweilt und verärgert, weil die neuen Besucher den Frieden seines Reiches störten, hob er den Blick. Als sie sich ihm näherten, stand er auf und versperrte ihnen mit der flachen Hand den Weg.
»Ich bin Cedric. Wenn ihr irgendwie Dreck am Stecken habt, gibt's Ärger. Merkt euch das.«
Cedric wartete einen Augenblick, bis die Neuankömmlinge diese Warnung verdaut hatten. Dann scannte er sie mit einem elektronischen Detektor ab. Das Ergebnis schien ihn zufriedenzustellen, denn er gab einen Code in die Tür ein und schloss sie mit einem Schlüssel auf.
Cedric führte die Besucher einen langen, stickigen Gang hinunter. Auf beiden Seiten standen zwei Meter fünfzig hohe billige Trennwände, die offenbar den Blick auf die Räumlichkeiten verhindern sollten. Jessica fragte sich, was wohl jenseits dieser Absperrung zu sehen war.
Schließlich erreichten sie das Ende des langen Ganges, der sich endlos durch das Lagerhaus schlängelte, und standen in einer riesigen Halle. Sie war so groß, dass die in einer Ecke aufgebauten Scheinwerfer fünfzehn Meter in die Dunkelheit zu strahlen schienen, um dann vom düsteren Licht verschluckt zu werden. Jessica entdeckte ein riesiges Schlagzeug in dem Dämmerlicht. Ein Gabelstapler stand wie ein prähistorisches Raubtier drohend im Halbschatten.
»Wartet hier«, sagte Cedric.
Jessica sah Cedric und Kilbane nach, die zum Set liefen. Cedrics Arme standen wegen der gewaltigen Rückenmuskeln und der Dicke der Oberarme ein Stück vom Körper ab. Er hatte den typischen Watschelgang eines Bodybuilders.
Das Set war hell erleuchtet, und von ihrem Standort aus konnten sie das Schlafzimmer eines jungen Mädchens sehen. An den Wänden hinten Poster von Boy-Groups. Auf dem Bett lag eine Kollektion pinkfarbener Stofftiere und Satinkissen. Im Augenblick waren keine Darsteller zu sehen.
Nach ein paar Minuten kehrte Kilbane mit einem anderen Mann zurück.
»Meine Damen, das ist Dante Diamond«, sagte Kilbane.
Dante Diamond sah überraschend normal aus. Rein äußerlich wies nichts auf seinen Job als Produzent von Pornofilmen hin. Der etwa sechzigjährige Mann hatte eine jugendliche Ausstrahlung, und sein ehemals blondes Haar war nun von silbernen Strähnen durchzogen. Er trug den üblichen Spitzbart und einen kleinen Ohrring. Seine Bräune stammte von einer Sonnenbank, und seine Zähne waren überkront.
»Mr. Diamond, das sind Gina Marino und Daniela Rose.«
Eugene Kilbane spielt seine Rolle gut, dachte Jessica. Sie war sogar ein wenig beeindruckt. Trotzdem war sie froh, ihm einen Faustschlag verpasst zu haben.
»Ich bin entzückt.« Diamond drückte ihnen die Hände. Professionell, warm und herzlich. Wie ein Bankmanager. »Ich muss sagen, ihr seht beide
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