Byrne & Balzano 02 - Mefisto
Byrne überraschte das nicht.
»Sie glauben, Sie können mir wehtun?«, fragte Matisse. Wieder spuckte er Blut. »Ich habe schon Dinge durchgemacht, da würden Sie schreien wie ein Säugling.«
»Ich bin nicht hier, um dir wehzutun, Julian. Ich möchte nur ein paar Informationen haben. Es liegt ganz an dir.«
Matisse schnaubte wütend. Doch tief im Innern wusste er, was Byrne meinte. Sadisten waren so veranlagt, dass sie die Last des Schmerzes auf das Subjekt übertrugen.
»Also«, sagte Byrne. »Wo ist sie?«
Schweigen.
Byrne baute sich vor Matisse auf und versetzte ihm einen harten Faustschlag gegen die linke Niere. Byrne trat zurück. Matisse erbrach sich.
Als er wieder zu Atem kam, stieß er hervor: »Recht und Hass liegen dicht beieinander, nicht wahr?« Er spuckte abermals auf den Boden. Ekel erregender Gestank breitete sich aus.
»Ich möchte, dass du über dein Leben nachdenkst, Julian«, sagte Byrne, ohne auf die Bemerkung einzugehen. Er machte einen Schritt über das Erbrochene hinweg und trat näher an Matisse heran. »Ich möchte, dass du über die Dinge nachdenkst, die du getan hast, die Entscheidungen, die du getroffen hast, die Schritte, die dazu geführt haben, dass du nun hier sitzt. Dein Anwalt ist nicht hier, um dich zu beschützen. Hier ist kein Richter, der mir Einhalt gebieten könnte.« Byrne beugte sich zu Matisse vor. Als ihm der Gestank in die Nase stieg, drehte sich ihm der Magen um. Er nahm den Schalter des Elektroschockers in die Hand. »Ich frage dich zum letzten Mal. Wenn du mir dann nicht antwortest, werde ich die Sache hier ein bisschen beschleunigen. Dann ist Schluss mit lustig. Kapiert?«
Matisse schwieg.
»Wo ist sie?«
Keine Reaktion.
Byrne drückte auf den Knopf und schickte 60.000 Volt in Julians Hoden. Matisse stieß einen langen, lauten, schrillen Schrei aus. Er kippte auf dem Stuhl nach hinten und schlug mit dem Kopf auf den Boden. Doch dieser Schmerz war nichts im Vergleich zu dem Feuer, das durch seinen Unterleib schoss. Byrne kniete sich neben ihn und presste ihm eine Hand auf den Mund.
In diesem Augenblick wirbelten die Bilder durch seinen Kopf…
Victoria schreit … bettelt um ihr Leben … zerrt an den Nylonfesseln … das Messer zerschneidet ihre Haut … das im Mondlicht schimmernde Blut … ihre Schreie, die wie eine schrille Sirene die Dunkelheit zerschneiden … Schreie, die ihre grauenhaften Schmerzen bezeugen…
… als er eine Hand in Matisse' Haar krallte. Byrne riss den Stuhl hoch und blickte Matisse tief in die Augen. Auf dessen Gesicht klebten Blut, Galle und Erbrochenes. »Hör zu. Du wirst mir sagen, wo sie ist. Wenn sie tot ist, oder wenn sie lebt und leiden muss, dann komme ich zurück. Du glaubst, du kennst Schmerzen? Da irrst du dich. Ich werde es dir beweisen.«
»Leck mich«, flüsterte Matisse. Sein Kopf rollte von einer Seite zur anderen. Immer wieder verlor er für Augenblicke die Besinnung. Byrne nahm eine Ammoniakkapsel aus der Tasche und brach sie unter Matisse' Nase entzwei. Matisse kam zu sich. Byrne ließ ihm einen Moment Zeit, sich zu orientieren.
»Wo ist sie?«, fragte er.
Matisse hob den Kopf und schärfte seinen Blick. Er lächelte und entblößte seine blutverschmierten Zähne. Die beiden oberen Schneidezähne fehlten. »Ich hab sie versteckt. Genau wie Schneewittchen. Sie werden sie niemals finden.«
Byrne zerbrach eine zweite Ammoniakkapsel und hielt sie Matisse unter die Nase, damit er nicht die Besinnung verlor. Matisse riss den Kopf zurück. Dann nahm Byrne eine Hand voll Eis aus einem Becher, den er mitgebracht hatte, und presste es auf Matisse' Augen.
Darauf zog er sein Handy aus der Tasche und klappte es auf. Er surfte durchs Menü, bis er die Bilddatei fand. Er öffnete das letzte Foto, das er an diesem Morgen geschossen hatte, und hielt das Display so, dass Matisse es sehen konnte.
Matisse riss schockiert die Augen auf und begann zu zittern.
»Nein…«
Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit einem Foto von Edwina Matisse, die vor einer Aldi-Filiale in der Market Street stand, wo sie immer einkaufen ging. Es erschütterte ihn bis ins Mark, in dieser Situation ein Bild seiner Mutter zu sehen.
»Sie können doch nicht…«, sagte Matisse.
»Wenn Victoria tot ist, fahre ich da vorbei und nehme deine Mutter auf dem Rückweg mit, Julian.«
»Nein.«
»O doch. Und ich bringe sie dir in einer Kiste her, so wahr mir Gott helfe.«
Byrne klappte das Handy zu. Matisse' Augen füllten sich mit Tränen,
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