Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Titel: Byrne & Balzano 02 - Mefisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
Vom Netzwerk:
gegangen ist. Normalerweise wird dieser Punkt in der Mitte der Story erreicht, aber nicht immer.
    Ich habe diesen Punkt überschritten.
    Heute Nacht schreiben wir das Jahr 1980. Miami Beach. Ich schließe die Augen, finde meine Mitte, höre Salsa-Musik und rieche die salzige Luft.
    Mein Hauptdarsteller ist mit Handschellen an einen Stahlbalken gefesselt.
    »Was machst du da?«, fragt er.
    Ich könnte es ihm sagen, aber wie es in allen Lehrbüchern übers Drehbuchschreiben steht, ist es viel effektiver, es zu zeigen als zu erklären. Ich überprüfe die Kamera. Sie steht auf einem kleinen Stativ, das ich auf eine Lattenkiste gestellt habe.
    Perfekt.
    Ich ziehe den gelben Regenmantel an und knöpfe ihn von oben bis unten zu.
    »Weißt du, wer ich bin?«, fragt er, und jetzt schwingt Angst in seiner Stimme mit.
    »Lass mich raten«, sage ich. »Du bist der Bursche, der normalerweise die Nebenrolle des Schurken besetzt, richtig?«
    Er sieht ziemlich erstaunt aus. Ich erwarte nicht, dass er es versteht. »Was?«
    »Du bist der Bursche, der hinter dem Schurken steht und versucht, böse zu gucken. Der Bursche, der das Mädchen niemals bekommt. Das heißt … manchmal schon, aber niemals das hübsche Mädchen, stimmt's? Wenn überhaupt, bekommst du die Blondine mit dem verlebten Gesicht, die ihren billigen Whiskey in einem Zug runterkippt und die um die Hüften ein bisschen dick ist. Eine Frau wie Dorothy Malone. Und erst nachdem der Schurke seine Süße bekommen hat.«
    »Du bist ja verrückt.«
    »Du hast ja keine Ahnung.«
    Ich trete vor ihn hin und mustere sein Gesicht. Er versucht sich abzuwenden, doch ich nehme sein Gesicht in meine Hände.
    »Du solltest wirklich besser auf deine Haut achten.«
    Er starrt mich sprachlos an. Nun, seine Sprachlosigkeit wird nicht lange anhalten.
    Ich durchquere den Raum und ziehe die Kettensäge aus der Schutzhülle. Sie ist sehr schwer. Alle guten Waffen sind schwer. Ich rieche das Öl. Die Säge ist in hervorragendem Zustand. Es ist eine Schande, dieses Werkzeug zu ruinieren.
    Ich ziehe an der Schnur. Die Kettensäge fängt sofort an zu knattern. Ein lautes, eindrucksvolles Geräusch. Die Klinge der Kettensäge rumpelt und surrt und dampft.
    »Mein Gott, nein!«, brüllt er.
    Ich schaue ihn an und spüre die schreckliche Macht dieses Augenblicks.
    »Mira!«, schreie ich.
    Als ich die Klinge zu seiner linken Kopfhälfte führe, scheinen seine Augen die Wahrheit dieser Sekunde zu begreifen. Dieser Blick ist einzigartig. Nichts ähnelt dem Blick eines Menschen in einem solchen Moment.
    Die Klinge frisst sich in seinen Kopf. Knochensplitter und Hirnmasse fliegen umher. Die Klinge ist sehr scharf, und in null Komma nichts bin ich bis zum Hals durchgedrungen. Mein Regenmantel und meine Gesichtsmaske sind voller Blut, Schädelfragmenten und Haar.
    »Jetzt das Bein, ja?«, schreie ich.
    Doch er kann mich nicht mehr hören.
    Die Kettensäge klirrt und rasselt in meiner Hand. Ich schüttle das Fleisch und den Knorpel von der Klinge.
    Und mache mich wieder an die Arbeit.

53.
    Byrne parkte auf dem Montgomery Drive und ging über den großen Platz. Die Skyline der Stadt funkelte in der Ferne. Normalerweise wäre er stehen geblieben und hätte die Aussicht vom Belmont Plateau bewundert. Obwohl in Philadelphia geboren, wurde er des Anblicks niemals überdrüssig. Doch heute Nacht machten ihm Trauer und Angst zu schaffen.
    Byrne leuchtete mit der Taschenlampe den Boden ab und suchte eine Blutspur und Fußabdrücke. Er fand weder das eine noch das andere.
    Er näherte sich dem Softballfeld und suchte nach Anzeichen eines Kampfes. Er suchte das Gebiet hinter dem Spielfeld ab. Kein Blut, keine Victoria.
    Er lief um das Feld herum. Zweimal. Victoria war nicht hier.
    Hatte jemand sie gefunden?
    Nein. Wenn jemand hier ein Verbrechen gemeldet hätte, wären die Polizisten noch vor Ort. Das Gebiet wäre abgesperrt, und ein Streifenwagen würde den Tatort bewachen. In der Dunkelheit wäre es für die Kollegen von der Spurensicherung viel zu schwierig, ihre Arbeit zu machen; deshalb würden sie bis zum nächsten Morgen warten.
    Byrne ging denselben Weg zurück, ohne etwas zu finden. Er überquerte noch einmal das Plateau und lief durch eine Baumgruppe hindurch. Er schaute unter den Bänken nach. Nichts. Er spielte schon mit dem Gedanken, eine Suchmannschaft zu rufen – sich der Tatsache bewusst, dass es das Ende seiner Karriere, seiner Freiheit, seines Lebens bedeuten würde, was er Matisse angetan hatte

Weitere Kostenlose Bücher