Byrne & Balzano 02 - Mefisto
und er begann jämmerlich zu schluchzen. Byrne hatte das alles schon erlebt. Er dachte an Gracie Devlins süßes Lächeln. Mit diesem Mann hatte er kein Erbarmen.
»Glaubst du noch immer, du kennst mich?«, fragte Byrne.
Byrne warf ein Blatt Papier auf Matisse' Schoß. Es war die Einkaufsliste, die in Edwina Matisse' Wagen auf dem Rücksitz gelegen hatte. Matisse' letzter Widerstand brach, als er die zarte Handschrift seiner Mutter sah.
»Wo ist Victoria?«
Matisse kämpfte gegen die Fesseln an, bis er erschöpft die Arme sinken ließ. »Hören Sie auf.«
»Antworte mir«, sagte Byrne.
»Sie ist … im Fairmount Park.«
»Wo?«, fragte Byrne. Der Fairmount Park war landesweit der größte Stadtpark. Er erstreckte sich über eine Fläche von tausendfünfhundert Hektar. »Wo?«
»Belmont Plateau. Bei den Softballfeldern.«
»Ist sie tot?«
Matisse antwortete nicht. Byrne brach eine dritte Ammoniakkapsel entzwei und nahm die kleine Butan-Lötlampe in die andere Hand. Er führte sie dicht an Matisse' rechtes Auge heran und drückte auf sein Feuerzeug.
»Ist sie tot?«
»Ich weiß es nicht!«
Byrne ließ die Lötlampe sinken, umwickelte Matisse' Mund fest mit Klebeband und überprüfte die Fesseln an den Händen und Füßen. Bombenfest.
Byrne sammelte seine Instrumente ein, warf sie in die Tasche und verließ das Haus. Die Hitze ließ den Asphalt schimmern und umhüllte die Straßenlaternen mit einem bläulichen Glanz. In Nord-Philadelphia pulsierte in dieser Nacht die Energie des Wahnsinns, und Kevin Byrne war die Seele.
Er stieg in seinen Wagen und jagte zum Fairmount Park.
51.
Nicci Malone war eine unglaublich gute Schauspielerin. Detective Jessica Balzano hatte erst wenige Male als verdeckte Ermittlerin gearbeitet und sich jedes Mal Sorgen gemacht, als Polizistin enttarnt zu werden. Als sie jetzt beobachtete, wie Nicci sich in dieser Welt bewegte, war sie fast ein wenig neidisch. Niccis Selbstvertrauen und ihre Ausstrahlung bewiesen, dass sie genau wusste, wer sie war und was sie tat. Sie verinnerlichte ihre Rolle und spielte sie auf eine Weise, wie es Jessica niemals gelungen wäre.
Jessica beobachtete die Crew, die das Licht zwischen den einzelnen Aufnahmen neu ausrichtete. Ihre Kenntnisse über Filmproduktionen waren arg begrenzt, doch diese Operation sah in ihren Augen nach einer recht kostspieligen Angelegenheit aus.
Jessica hatte Mühe, den Inhalt der Story zu verdauen. Es ging um zwei junge Mädchen, die ein Sadist, der ihr Großvater hätte sein können, in seiner Gewalt hatte. Zuerst hatte Jessica die beiden Darstellerinnen auf fünfzehn geschätzt, doch als sie die beiden aus der Nähe betrachtete, stellte sie fest, dass sie vermutlich um die zwanzig waren.
Jessica dachte an das Mädchen in Philadelphia Skin. Der Film war in einem Zimmer gedreht worden, das diesem hier sehr ähnelte.
Was war mit diesem Mädchen geschehen?
Warum hatte sie das Gefühl, die Augen schon irgendwo gesehen zu haben?
Als Jessica die Aufnahme einer dreiminütigen Szene verfolgte, drehte sich ihr der Magen um. Der Mann mit der Ledermaske demütigte die beiden Mädchen zunächst verbal. Die Mädchen trugen hauchdünne Negligés. Der Mann fesselte sie Rücken an Rücken auf dem Bett und umkreiste sie wie ein riesiger Geier.
Während er den Mädchen Fragen stellte, schlug er wiederholt mit der flachen Hand auf sie ein. Es kostete Jessica alle Willenskraft, nicht einzuschreiten. Wie es aussah, schlug der Mann richtig zu, und die Mädchen schienen tatsächlich Schmerzensschreie auszustoßen und echte Tränen zu vergießen. Doch als Jessica sah, dass sie zwischen den einzelnen Aufnahmen kicherten, wurde ihr klar, dass die Schläge des Mannes wohl doch gespielt waren oder die Mädchen zumindest nicht verletzten. Vielleicht genossen sie es sogar. Was für eine perverse Welt!
Die letzte Szene stellte Jessica erneut vor eine echte Herausforderung. Eines der Mädchen blieb an Händen und Füßen gefesselt auf dem Bett liegen, während das andere vor dem Mann knien musste. Er schaute auf die blutjunge Frau hinunter, nahm sein Schnappmesser in die Hand, ließ die Klinge herausschnellen und schnitt das Negligé der jungen Frau in Fetzen. Er bespuckte sie. Sie musste seine Stiefel ablecken. Dann drückte er ihr das Messer an die Kehle. Jessica und Nicci wechselten einen Blick – beide bereit, unverzüglich einzuschreiten. Doch zu ihrer großen Erleichterung rief Dante Diamond: »Schnitt.«
Zum Glück nahm der Mann mit der
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