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Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Titel: Byrne & Balzano 02 - Mefisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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öfter danach fragen wollen, hatte dann aber beschlossen, lieber zu warten, bis er von sich aus darüber sprach. Vielleicht tat er das jetzt.
    »Als es damals passiert ist«, begann er, »habe ich für den Bruchteil einer Sekunde – genau in dem Moment, als die Kugel mich traf – wie ein Außenstehender gesehen, was geschah. Als wäre ein anderer getroffen worden, und ich hätte es beobachtet.«
    »Du hast es beobachtet?«
    »Nein, nein. Es war keine von diesen außerkörperlichen Erfahrungen. Ich habe es … im Geiste gesehen. Ich habe gesehen, wie ich zu Boden stürzte. Überall das Blut. Mein Blut. Und die ganze Zeit hatte ich ein bestimmtes Bild vor Augen. Dieses eine Bild.«
    »Welches Bild?«
    Byrne starrte in das Schnapsglas auf dem Tisch. Jessica spürte, dass es nicht leicht für ihn war, aber sie hatten alle Zeit der Welt. »Ein Bild meiner Mutter und meines Vaters. Ein altes Schwarz-Weiß-Foto. Diese Bilder mit den gezackten Kanten, erinnerst du dich?«
    »Klar«, sagte Jessica. »Ich hab zu Hause einen ganzen Schuhkarton voll davon.«
    »Es war ein Foto aus ihren Flitterwochen in Miami Beach. Sie stehen vor dem Eden Roc, und das Bild hält vielleicht den glücklichsten Moment ihres Lebens fest. Meine Eltern hätten sich das Eden Roc natürlich nicht leisten können, aber so haben es damals viele gemacht. Man stieg in irgendeinem günstigen Hotel ab, das Aqua Breeze oder Sea Dunes hieß, ließ sich dann vor dem Eden Roc oder dem Fountainbleu fotografieren und gab vor, reich zu sein. Mein Vater trägt ein scheußliches Hawaiihemd und strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Er sieht aus, als wollte er der ganzen Welt sagen: ›Könnt ihr euch eigentlich vorstellen, wie glücklich ich bin? Womit habe ich diese Frau verdient?‹«
    Jessica hörte ihm aufmerksam zu. Byrne hatte ihr von seiner Familie bisher nicht viel erzählt.
    »Und meine Mutter … mein Gott, war sie schön. Eine wahre irische Rose. Sie steht da in ihrem weißen Sommerkleid mit den kleinen gelben Blumen und dem verschmitzten Lächeln, als hätte sie alles durchschaut und würde sagen: ›Pass genau auf, was du tust, Padraig Francis Byrne, denn du bewegst dich nun für den Rest deines Lebens auf sehr dünnem Eis.‹«
    Jessica nickte und trank einen Schluck. Sie besaß ein ähnliches Foto. Ihre Eltern während der Flitterwochen auf Cape Cod.
    »Als das Bild aufgenommen wurde, dachten sie noch gar nicht an mich«, fuhr Byrne fort. »Aber ich war geplant, nicht wahr? Und als ich mir am Ostersonntag die Kugel einfing und überall mein Blut sah, musste ich immerzu daran denken, dass jemand an diesem sonnigen Tag in Miami Beach zu meinen Eltern sagte: ›Kennen Sie dieses Kind? Dieses pausbäckige kleine Bündel, das Sie bekommen werden? Eines Tages wird ihm jemand eine Kugel in den Kopf schießen, und er wird einen unglaublich grausamen Tod sterben.‹ Dann sah ich, wie ihre Gesichter auf dem Foto sich veränderten. Ich sah, dass meine Mutter zu weinen anfing und wie mein alter Herr unablässig die Fäuste ballte – was er übrigens bis zum heutigen Tag tut, wenn ihm irgendwas besonders an die Nieren geht. Ich sah meinen Vater in der Gerichtsmedizin stehen und an meinem Grab. Aber ich wusste, dass ich das nicht zulassen durfte, weil es für mich noch etwas zu tun gab, und dass ich überleben musste, um es zu tun.«
    Jessica versuchte, alles richtig zu verstehen, was Byrne ihr erzählte, und auch das zu erfassen, was zwischen den Zeilen stand. »Hast du noch immer dieses Gefühl?«, fragte sie.
    Byrne schaute ihr so tief in die Augen wie nie zuvor. Einen winzigen Moment lang hatte Jessica das Gefühl, ihre Glieder würden erstarren. Sie fragte sich, ob Byrne ihre Frage beantwortete.
    »Ja«, sagte er.
    Eine Stunde später fuhren sie zum Jefferson Hospital. Victoria Lindstrom war operiert worden und lag nun auf der Intensivstation. Ihr Zustand war kritisch, aber stabil.
    Als sie ein paar Minuten später auf dem Parkplatz standen, umgab sie die tiefe Stille des frühen Morgens. Bald ging die Sonne auf, doch noch schlief die Stadt. Irgendwo dort draußen, unter den wachsamen Augen von William Penn und zwischen dem friedlichen Delaware und dem ruhigen Schuylkill River, inmitten der ruhelosen Seelen der Nacht, plante der Filmemacher den nächsten Akt seiner grauenvollen Inszenierung.
    Als Jessica nach Hause fuhr, um ein paar Stunden zu schlafen, dachte sie über das nach, was Byrne in den letzten achtundvierzig Stunden durchgemacht hatte. Sie gestand sich

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