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Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Titel: Byrne & Balzano 02 - Mefisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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mit der feuchtschwülen Luft. Eine seit langer Zeit leere Vogeltränke stand auf der verfallenen Mauer. Die winzige Terrasse war kaum groß genug für zwei Personen, doch irgendwie hatte Melanie es geschafft, einen Weber-Grill, zwei sandfarbene schmiedeeiserne Stühle und einen kleinen Tisch auf der Terrasse unterzubringen.
    Melanie Devlin hatte in den zwei Jahren, seitdem Byrne sie zum letzten Mal gesehen hatte, gut dreißig Pfund zugenommen. Sie trug gelbe Stretch-Shorts und dazu ein quer gestreiftes Top in derselben Farbe, doch es war kein heiteres Gelb. Es war nicht das Gelb der Narzissen oder der Ringel- oder Butterblumen. Stattdessen war es ein aggressives, giftiges Gelb, das den Sonnenschein nicht willkommen hieß, sondern versuchte, ihn in Melanies zerstörtes Leben hineinzuziehen. Sie trug einen lieblos geschnittenen, pflegeleichten Kurzhaarschnitt für heiße Sommertage. Ihre Augen hatten die Farbe von dünnem Kaffee in der Mittagssonne.
    Melanie Devlin, die jetzt Mitte vierzig war, hatte die Last des Leids als ständigen Begleiter ihres Lebens akzeptiert. Sie kämpfte nicht mehr dagegen an. Die Traurigkeit umgab sie wie eine Hülle.
    Byrne hatte angerufen und behauptet, er sei gerade in der Gegend. Mehr hatte er nicht gesagt.
    »Können Sie wirklich nicht zum Essen bleiben?«, fragte sie nun.
    »Ich muss zurück«, erwiderte Byrne. »Aber danke für die Einladung.«
    Melanie grillte Rippchen. Sie schüttete eine große Portion Salz in ihre Handfläche und streute es auf das Fleisch. Dann wiederholte sie diesen Vorgang. Sie schaute Byrne an, als wollte sie sich entschuldigen. »Ich schmecke nichts mehr.«
    Byrne wusste, was sie meinte. Da er aber um ein Gespräch bemüht war, griff er die Bemerkung auf. Wenn sie ein bisschen plauderten, würde es ihm leichter fallen zu sagen, was er ihr sagen musste. »Wie meinen Sie das?«
    »Seitdem Gracie … gestorben ist, habe ich meinen Geschmackssinn verloren. Seltsam, nicht wahr? Eines Tages war er einfach weg.« Rasch streute sie noch mehr Salz auf die Rippchen, als wollte sie Abbitte leisten. »Jetzt muss ich auf alles Salz streuen. Ketchup, scharfe Sauce, Mayonnaise, Zucker. Sonst schmecke ich nichts.« Sie zeigte auf ihre Figur. Dies war offenbar der Grund für ihre Gewichtszunahme. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie wischte sie mit dem Handrücken weg.
    Byrne schwieg. Er hatte viele Menschen gesehen, die gegen ihren Kummer ankämpften, und jeder tat es auf seine Weise. Wie oft hatte er schon erlebt, dass Frauen einen Putzfimmel bekamen, nachdem sie ein geliebtes Wesen durch eine Gewalttat verloren hatten! Sie schüttelten endlos die Kissen auf und machten immer wieder die Betten. Wie oft hatte er Männer gesehen, die immer wieder ihre Autos polierten oder jeden Tag den Rasen mähten! Kummer pirschte sich langsam an das menschliche Herz heran. Menschen hatten oft das Gefühl, sie könnten den Schmerz durch die ständige Bewegung besiegen.
    Melanie Devlin stocherte in den Briketts unter dem Grill und schloss den Deckel. Dann schenkte sie ihnen beiden Limonade ein und setzte sich auf den winzigen schmiedeeisernen Stuhl Byrne gegenüber. Ein paar Häuser weiter schaute jemand sich ein Spiel der Phillies an.
    Sie schwiegen eine Weile, spürten die wahnsinnige Hitze des Nachmittags. Byrne sah, dass Melanie ihren Ehering nicht trug. Er fragte sich, ob sie und Garrett sich hatten scheiden lassen. Es wäre nicht die erste Ehe, die durch den gewaltsamen Tod eines Kindes in die Brüche ging.
    »Es war lavendelfarben«, sagte Melanie plötzlich.
    »Wie bitte?«
    Sie blinzelte in die Sonne. Dann senkte sie wieder den Blick und drehte ihr Glas mehrmals in der Hand. »Gracies Kleid. Das Kleid, in dem wir sie begraben haben. Es war lavendelfarben.«
    Byrne nickte. Das hatte er nicht gewusst. Gracie hatte während der Trauerfeier in einem geschlossenen Sarg gelegen.
    »Niemand konnte das Kleid sehen, weil Gracie… Sie wissen schon«, sagte Melanie. »Aber es war sehr hübsch. Eines ihrer Lieblingskleider. Sie liebte diese Farbe.«
    Plötzlich hatte Byrne das Gefühl, dass Melanie wusste, warum er hier war. Natürlich wusste sie es nicht genau, doch das dünne Band, das Marygrace Devlins Tod zwischen ihnen gespannt hatte, musste der Grund sein. Warum sonst hätte er sie besuchen sollen? Melanie Devlin wusste, dass der Besuch etwas mit Gracie zu tun hatte, und sie spürte sicherlich, dass sie weiteres Leid abwehren könnte, wenn sie liebevoll über ihre Tochter

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