Byrne & Balzano 02 - Mefisto
nicht dort auf. Die Ermittlungen liefen ins Leere.
Doch Byrne wusste, dass er Matisse eines Tages wieder sehen würde.
In einer kalten Januarnacht vor zwei Jahren ging dann der Notruf ein, dass eine junge Frau in einer Gasse hinter einem leer stehenden Kino in Süd-Philadelphia angegriffen worden war. Ein paar Straßen entfernt aßen Byrne und Jimmy gerade zu Abend, als sie den Notruf entgegennahmen. Als sie den Tatort erreichten, war die Gasse leer, doch eine Blutspur führte ins Kino.
Als Byrne und Jimmy das Kino betraten, sahen sie Gracie einsam auf der Bühne liegen. Sie war brutal geschlagen worden. Byrne würde den Anblick nie im Leben vergessen: Gracies lebloser Körper auf der Bühne des menschenleeren Kinos … zarter Dunst stieg über ihr in die kalte Luft … ihre Lebenskraft schwand. Während der Rettungswagen unterwegs war, versuchte Byrne verzweifelt, sie wiederzubeleben. Sie hatte einmal geatmet – ein zarter Lufthauch, der aus ihren Lungen drang, als das Leben sie verließ, und der in Byrnes Körper eingedrungen war. Dann starb sie mit einem leichten Zucken in seinen Armen. Marygrace Devlin hatte neunzehn Jahre, zwei Monate und drei Tage gelebt.
Die Spurensicherung fand einen Fingerabdruck am Tatort. Er gehörte Julian Matisse. Während ein Dutzend Detectives an dem Fall arbeiteten und versuchten, das asoziale Pack einzuschüchtern, mit dem Julian Matisse verkehrte, fanden sie Matisse im Wandschrank eines ausgebrannten Reihenhauses in der Jefferson Street, wo auch ein Handschuh sichergestellt werden konnte, der mit Gracie Devlins Blut beschmiert war. Byrne musste von seinen Kollegen zurückgehalten werden.
Matisse wurde vor Gericht gestellt, schuldig gesprochen und zu fünfundzwanzig Jahren im Staatsgefängnis in Greene County verurteilt.
Nach Gracies Ermordung lief Byrne monatelang in dem Glauben durch die Welt, Gracies Atem wäre noch in ihm und ihre Kraft triebe ihn an, seinen Job zu machen. Lange Zeit hatte er das Gefühl, Gracies Atem wäre das einzig Reine in ihm – etwas, das die Stadt noch nicht besudelt hatte.
Jetzt lief Matisse wieder durch die Straßen und streckte sein Gesicht der Sonne entgegen. Der Gedanke machte Kevin Byrne krank. Er wählte Paul DiCarlos Nummer.
»DiCarlo.«
»Sagen Sie mir, dass ich mich verhört habe.«
»Ich wünschte, das könnte ich, Kevin.«
»Was ist passiert?«
»Sie kennen Phil Kessler?«
Kessler hatte zweiundzwanzig Jahre lang als Detective bei der Mordkommission und zuvor zehn Jahre in verschiedenen anderen Abteilungen der Polizei von Philadelphia gearbeitet – ein unberechenbarer Bursche, der seine Kollegen mehr als einmal in Gefahr gebracht hatte, weil er Details übersah, sich nicht an die Vorschriften hielt oder schlichtweg die Nerven verlor.
In der Mordkommission gab es immer ein paar Kollegen, die nicht gerne mit Leichen zu tun hatten und alles daransetzten, keinen Tatort aufsuchen zu müssen. Sie stellten sich bereitwillig zur Verfügung, Haftbefehle auszustellen, Zeugen aufzuspüren und ins Präsidium zu bringen oder Observierungen vorzunehmen. Zu diesen Leuten gehörte Kessler. Es gefiel ihm, in der Mordkommission zu arbeiten, doch Mord an sich jagte ihm Angst ein.
Byrne war nur in einem Fall Kesslers Partner gewesen – beim Mord an einer jungen Frau, die in einer leer stehenden Tankstelle in Nord-Philadelphia aufgefunden worden war. Es stellte sich heraus, dass sie an einer Überdosis gestorben und keinem Mord zum Opfer gefallen war. Byrne hatte es furchtbar eilig, die Zusammenarbeit mit seinem Ersatzpartner zu beenden.
Vor einem Jahr war Kessler in den Ruhestand getreten. Byrne hatte gehört, dass er an Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium litt.
»Soviel ich weiß, ist er krank«, sagte Byrne. »Mehr kann ich nicht sagen.«
»Es heißt, er hat nur noch wenige Monate zu leben«, sagte DiCarlo.
Byrne hatte Kessler zwar nicht gemocht, aber einen so grausamen Tod wünschte er keinem. »Ich verstehe nicht, was das mit Julian Matisse zu tun haben soll.«
»Kessler ist zur Bezirksstaatsanwältin gegangen und hat ausgesagt, er und Jimmy Purify hätten den blutigen Handschuh Matisse bei der Festnahme untergeschoben. Er hat seine Aussage beeidet.«
Das Zimmer begann sich zu drehen. Byrne kämpfte um sein Gleichgewicht. »Was reden Sie da, Mann?«
»Ich habe nur wiederholt, was er gesagt hat, Kevin.«
»Und Sie glauben ihm?«
»Erstens ist es nicht mein Fall. Zweitens kümmert sich die Mordkommission um die Sache. Und drittens
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