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Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Titel: Byrne & Balzano 02 - Mefisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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ihre Glock nackt und verwundbar fühlte. Doch alle in Schießereien verwickelten Polizisten mussten ihre Waffe vorübergehend abgeben. Jessica hatte fast eine Woche am Schreibtisch gesessen. Die Versetzung in den Innendienst war Vorschrift, bis die Ermittlungen über den Schusswechsel abgeschlossen waren.
    Jessica zerzauste ihr Haar, legte einen Hauch Lippenstift auf und schaute auf die Uhr. Die Zeit lief ihr wieder einmal davon. So viel zum Thema Zeitplanung. Sie durchquerte die Diele und klopfte an Sophies Tür. »Bist du fertig?«, fragte sie.
    Heute war Sophies erster Tag in einer Vorschule, nicht weit von ihrer Doppelhaushälfte in Lexington Park entfernt, einer kleinen Gemeinde im Nordosten Philadelphias. Paula Farinacci, eine von Jessicas ältesten Freundinnen und Sophies Babysitterin, nahm das Mädchen mit, wenn sie ihre eigene Tochter Danielle zur Vorschule brachte.
    »Mom?«, sagte Sophie, die hinter der Tür stand.
    »Ja, Liebling?«
    »Mommy?«
    Oje, dachte Jessica. Sophie begann immer mit Mom/Mommy, wenn sie eine heikle Frage stellen wollte. Es war die typische Hinhaltetaktik eines Kleinkindes – die Technik, die Holzköpfe benutzten, um sich eine Antwort zurechtzulegen, wenn sie von den Cops auf der Straße befragt wurden.
    »Ja, mein Schatz?«
    »Wann kommt Daddy wieder?«
    Jessica hatte recht gehabt. Genau diese Frage hatte sie befürchtet. Sie verlor den Mut.
    Jessica und Vincent Balzano hatten sechs Wochen lang eine Eheberatung besucht, und obwohl sie Fortschritte machten und sie Vincent schrecklich vermisste, war Jessica noch nicht bereit, ihr Leben wieder mit ihm zu teilen. Er hatte sie betrogen, und bisher hatte sie es nicht geschafft, ihm zu verzeihen.
    Vincent, der in der Zentrale beim Rauschgiftdezernat arbeitete, durfte Sophie sehen, wann immer er wollte, und es herrschte nicht mehr der offene Kampf wie in den Wochen, nachdem Jessica seine Klamotten durch das Schlafzimmerfenster im ersten Stock auf den Rasen geworfen hatte. Doch der Groll schwelte noch. Sie war nach Hause gekommen und hatte ihn in ihrem Haus und ihrem Bett mit einer Schlampe namens Michelle Brown erwischt – einer Tussi aus Süd-Jersey mit einer Zahnlücke, zwei Pfund Haarspray im Haar und behangen mit billigem Modeschmuck. Genau das machte wohl ihren Reiz aus.
    Das war fast drei Monate her, und allmählich legte sich Jessicas Wut. Es lief nicht großartig, aber es lief besser.
    »Bald, Liebling«, sagte Jessica. »Daddy kommt bald nach Hause.«
    »Ich vermiss Daddy«, sagte Sophie. »Ganz ätzend.«
    Ich auch, dachte Jessica. »Wir müssen los, mein Schatz.«
    »Ja, Mama.«
    Jessica lehnte sich gegen die Wand und lächelte. Sie dachte daran, dass man bei einer Dreijährigen fast täglich auf Überraschungen stieß. Sophies neues Lieblingswort: ätzend. Die Fischstäbchen schmeckten ätzend gut. Sie war ätzend müde. Es war eine ätzend lange Fahrt bis zum Haus ihres Großvaters. Wo hatte sie dieses Wort aufgeschnappt? Jessica schaute auf die Aufkleber auf der Kinderzimmertür, die Sophies derzeitige Lieblingsfiguren repräsentierten: Pooh, Tigger, Eeyore, Piglet, Mickey, Pluto, Chip und Dale.
    Jessicas Gedanken schweiften von ihrer Tochter und Vincent zur Festnahme von Trey Tarver. Zum Glück war die Sache glimpflich für sie abgelaufen. Obwohl sie es niemals zugegeben hätte, schon gar nicht einem Kollegen gegenüber, hatte sie die Tec 9 seit der Schießerei jede Nacht in ihren Albträumen gesehen und den peitschenden Knall beim Abfeuern des Projektils aus Trey Tarvers Waffe in jeder Fehlzündung, jeder zugeschlagenen Tür und jeder Schießerei im Fernsehen gehört.
    Immer, wenn Jessica ihren Dienst antrat, folgte sie wie alle Detectives einem einzigen Gesetz, einem Grundsatz, der alle anderen an Bedeutung in den Schatten stellte: Kehre unversehrt zu deiner Familie zurück. Nichts anderes zählte. Solange sie bei der Polizei arbeiten würde, würde sich das niemals ändern. Jessicas Motto war wie das der meisten Cops:
    Wenn du deine Waffe auf mich richtest, verlierst du. Basta. Sollte ich mich irren, kannst du meine Dienstmarke, meine Knarre und sogar meine Freiheit haben. Aber mein Leben kriegst du nicht.
    Man hatte Jessica angeboten, den Polizeipsychologen aufzusuchen, doch weil sie nicht dazu verpflichtet war, hatte sie abgelehnt. Vielleicht hatte es mit ihrer italienischen Starrköpfigkeit zu tun, vielleicht aber auch mit ihrer italienischen weiblichen Starrköpfigkeit. Jedenfalls sah die Wahrheit so aus – und

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