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Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Titel: Byrne & Balzano 02 - Mefisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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wedelte in der Tasche aufgeregt mit dem Schwanz. Byrne hatte dem Welpen schon einen Namen gegeben. Er sollte Putin heißen, aber nicht nach dem russischen Präsidenten, sondern nach Rasputin, weil der Hund in Byrnes Wohnung bereits großes Chaos angerichtet hatte. Er hatte beschlossen, seine Hausschuhe ab sofort im Dutzend zu kaufen.
    Byrne setzte sich auf den Bettrand und betrachtete Victoria, die wieder eindöste. Er beobachtete, wie sie atmete, und war dankbar, dass ihre Brust sich hob und senkte. Er dachte an Colleen und daran, wie robust und stark sie war. In den letzten Tagen hatte er von Colleen viel über das Leben gelernt. Sie hatte widerstrebend einer Opfertherapie zugestimmt. Byrne hatte einen Psychologen gefunden, der die Gebärdensprache beherrschte. Victoria und Colleen. Sein Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Sie waren sich sehr ähnlich.
    Später schaute Byrne aufs Fenster und wunderte sich, dass es schon dunkel geworden war. Er sah ihre Spiegelbilder auf der Glasscheibe.
    Zwei desillusionierte Menschen. Zwei Menschen, die einander durch Berührungen fanden. Zusammen, so glaubte er, könnten sie einen vollständigen Menschen bilden.
    Vielleicht war das genug.

98.
    Es regnete leicht, ein typischer Sommerregen, der den ganzen Tag andauern konnte. Die Stadt roch sauber.
    Sie saßen am Fenster und schauten auf die Fulton Street. Zwischen ihnen stand ein Tablett. Auf dem Tablett stand eine Kanne Kräutertee. Als Jessica das Wohnzimmer betreten hatte, war ihr sofort aufgefallen, dass der Getränkewagen, den sie bei ihrem ersten Besuch gesehen hatte, jetzt leer war. Faith Chandler hatte drei Tage im Koma gelegen. Die Ärzte hatten sie langsam ins Leben zurückgeholt und diagnostiziert, dass sie keine bleibenden Schäden zurückbehalten würde.
    »Da draußen hat sie als Kind gespielt«, sagte Faith. Sie zeigte auf den Bürgersteig hinter der regennassen Fensterscheibe. »Sie war ein glückliches Mädchen.«
    Jessica dachte an Sophie. War ihre Tochter ein glückliches Kind? Jessica nahm es an. Sie hoffte es.
    Faith schaute sie an. Sie sah zwar ausgemergelt aus, doch ihre Augen waren klar. Ihr frisch gewaschenes, glänzendes Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Heute hatte sie sogar ein wenig Farbe im Gesicht. »Haben Sie Kinder?«, fragte sie.
    »Ja«, sagte Jessica. »Eine Tochter. Sophie.«
    »Wie alt ist sie?«
    »Drei Jahre.«
    Faith Chandlers Lippen bewegten sich beinahe unmerklich. Jessica hätte wetten können, dass die Frau leise »drei« gesagt und sich vielleicht an die kleine Stephanie erinnert hatte, die durch dieses Haus gelaufen war. Stephanie, die pausenlos Lieder aus der Sesamstraße trällerte und niemals zweimal denselben Ton traf. Stephanie, die auf dieser Couch schlief und deren kleines, rosiges Gesicht im Schlaf dem eines Engels glich.
    Faith hob die Teekanne hoch. Ihre Hände zitterten. Jessica überlegte, ob sie der Frau helfen sollte, entschied sich aber dagegen. Als der Tee eingegossen und der Zucker umgerührt war, fuhr sie fort.
    »Wissen Sie, mein Mann verließ uns, als Stephie zwölf war. Er hinterließ mir einen Berg Schulden. Über hunderttausend Dollar.«
    Faith Chandler hatte zugelassen, dass Ian Whitestone das Schweigen ihrer Tochter drei Jahre lang erkauft hatte, Schweigen über das, was am Set von Philadelphia Skin vorgefallen war. Soweit Jessica es beurteilen konnte, war gegen kein Gesetz verstoßen worden. Es würde keine Strafverfolgung geben. War es falsch, das Geld anzunehmen? Vielleicht. Aber Jessica gestand sich kein Urteil darüber zu. Sie konnte nur hoffen, niemals in eine solche Situation zu geraten.
    Auf dem Beistelltisch stand Stephanies Foto von der Abschlussfeier der Highschool. Faith nahm es in die Hand und strich zärtlich über das Gesicht ihrer Tochter.
    »Lassen Sie sich von einer erschöpften alten Kellnerin einen Rat geben.« Faith Chandler schaute Jessica mit einem kummervollen Blick an. »Sie mögen glauben, Ihnen würde viel Zeit mit Ihrer Tochter bleiben, eine lange Zeit, bis sie groß ist und dem Ruf der Welt folgt. Glauben Sie mir, es geht schneller, als Sie ahnen. An einem Tag klingt noch das Lachen Ihrer Tochter durchs Haus, und am nächsten Tag hören Sie nur noch das Pochen Ihres Herzens.«
    Eine einsame Träne fiel auf das Glas des Bilderrahmens.
    »Wenn Sie vor der Entscheidung stehen, mit Ihrer Tochter zu reden oder ihr zuzuhören«, fügte Faith hinzu. »Hören sie zu. Hören Sie ihr einfach nur zu.«
    Jessica wusste nicht,

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