Byrne & Balzano 02 - Mefisto
Nord-Philadelphia. Sein Name war Adam Kaslov. Auf der Kassette waren nur seine Fingerabdrücke.
Jessica betrat den Raum und stellte sich vor. Kevin Byrne und Terry Cahill beobachteten das Verhör durch den Venezianischen Spiegel.
»Möchten Sie einen Kaffee oder ein Glas Wasser?«, fragte Jessica.
Adam Kaslov schenkte ihr ein verhaltenes, trauriges Lächeln. »Nein, schon okay«, sagte er. Vor ihm auf dem verkratzten Tisch standen zwei leere Sprite-Dosen. Er hatte ein Stück rote Pappe in der Hand, das er unentwegt verdrehte und wieder auseinanderzog.
Jessica legte die Hülle von Psycho, die in einer Plastiktüte steckte, auf den Tisch. »Wann haben Sie sich den Film ausgeliehen?«
»Gestern Nachmittag«, sagte Adam mit leicht zittriger Stimme. Er war nicht vorbestraft und vermutlich zum ersten Mal bei der Polizei zu Gast. Und bei diesem ersten Besuch war er gleich in einem Verhörraum der Mordkommission gelandet. Jessica hatte die Tür absichtlich offen gelassen. »Muss so gegen drei Uhr gewesen sein.«
Jessica schaute auf das Label auf der Kassettenhülle. »Und Sie haben diesen Film bei Reel Deal in der Aramingo ausgeliehen?«
»Ja.«
»Wie haben Sie bezahlt?«
»Bitte?«
»Haben Sie mit einer Kreditkarte bezahlt? Oder bar? Oder hatten Sie einen Gutschein?«
»Ach so. Ich hab bar bezahlt.«
»Haben Sie die Quittung noch?«
»Nein, tut mir leid.«
»Sind Sie Stammkunde in dem Laden?«
»Mehr oder weniger.«
»Wie oft leihen Sie sich dort Filme aus?«
»Weiß nicht. Vielleicht zwei Mal die Woche.«
Jessica schaute auf das Formular 229. Adam Kaslov hatte einen Teilzeitjob bei einem Rite Aid in der Market Street und einen zweiten im Cinemagic 3 in Penn, dem Kino in der Nähe der Universitätsklinik von Pennsylvania. »Darf ich fragen, warum Sie sich in dieser Videothek Filme ausleihen?«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie wohnen nur ein paar Straßen von einem Blockbuster entfernt.«
Adam zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, weil es in der Videothek ein besseres Angebot an ausländischen und alternativen Filmen gibt als in den großen Ketten.«
»Sie mögen ausländische Filme, Adam?«, fragte Jessica in freundlichem Plauderton. Adams Miene hellte sich ein wenig auf.
»Ja.«
»Mir gefällt Cinema Paradiso sehr gut«, sagte Jessica. »Einer meiner Lieblingsfilme. Kennen Sie ihn?«
»Klar«, erwiderte Adam. »Giuseppe Tornatore ist großartig. Vielleicht der anerkannte Erbe von Fellini.«
Adam entspannte sich ein wenig. Er hatte das Stück Pappe so lange verdreht, bis eine Spirale entstanden war, die er jetzt auf den Tisch legte. Sie sah so stabil aus, dass man sie als Sektquirl hätte benutzen können. Jessica saß ihm gegenüber auf dem verbeulten Metallstuhl. Zwei Personen führten ein Gespräch. Ein Gespräch über einen schändlichen Mord, den jemand auf Video aufgezeichnet hatte.
»Haben Sie sich den Film allein angesehen?«, fragte Jessica.
»Ja.« In dem Ja schwang ein Hauch Melancholie mit, als wäre seine Beziehung kürzlich zerbrochen und als hätte er sich die Filme früher gemeinsam mit seiner Freundin angeschaut.
»Wann haben Sie sich den Film angesehen?«
Adam nahm das verformte Stück Pappe wieder in die Hand. »Ich habe zwei Teilzeitjobs, und wenn ich um Mitternacht endgültig Feierabend habe, bin ich so gegen halb eins zu Hause. Normalerweise dusche ich und mache mir was zu essen. Ich glaube, so um ein Uhr oder um halb zwei hab ich den Film eingeschaltet. Vielleicht war's auch schon zwei.«
»Haben Sie sich den ganzen Film angesehen?«
»Nein. Nur bis zu der Szene, als Janet Leigh in dem Motel ankommt.«
»Und dann?«
»Dann habe ich den Film ausgeschaltet und bin zu Bett gegangen. Den Rest habe ich mir heute Morgen angesehen, ehe ich zur Uni gefahren bin … oder vielmehr, bevor ich zur Uni fahren wollte. Als ich das da gesehen habe … Sie wissen schon … hab ich die Cops gerufen. Die Polizei. Ich habe die Polizei gerufen.«
»Hat es noch jemand gesehen?«
Adam schüttelte den Kopf.
»Haben Sie mit jemandem darüber gesprochen?«
»Nein.«
»War die Kassette die ganze Zeit in Ihrem Besitz?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Von dem Zeitpunkt an, als Sie den Film ausgeliehen haben, bis zu dem Zeitpunkt, als Sie die Polizei gerufen haben – war der Film in Ihrem Besitz?«
»Ja.«
»Sie haben den Film nicht kurzfristig in Ihrem Wagen oder bei einem Freund liegen lassen? Oder in einen Rucksack oder eine Büchertasche gesteckt, die Sie irgendwo in der
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