Byrne & Balzano 02 - Mefisto
Öffentlichkeit an einen Garderobenhaken gehängt haben?«
»Nein«, sagte Adam. »Nichts dergleichen. Ich habe ihn ausgeliehen, mit nach Hause genommen und oben auf den Fernseher gelegt.«
»Und Sie leben allein.«
Adam verzog das Gesicht. Ja, seine Beziehung war kürzlich in die Brüche gegangen. »Ja.«
»War jemand in Ihrer Wohnung, als Sie gestern Abend gearbeitet haben?«
»Das glaube ich nicht. Nein. Das glaube ich wirklich nicht.«
»Außer Ihnen hat niemand einen Schlüssel?«
»Nur der Hauseigentümer. Ich bitte ihn schon seit einem Jahr, meine Dusche in Ordnung zu bringen. Ich glaube nicht, dass er meine Wohnung betritt, wenn ich nicht da bin.«
Jessica machte sich ein paar Notizen. »Haben Sie diesen Film früher schon mal im Reel Deal ausgeliehen?«
Adam schaute auf den Boden und dachte kurz nach. »Den Film oder genau diese Kassette?«
»Beides.«
»Ich glaube, ich hab mir dort im letzten Jahr Psycho auf DVD ausgeliehen.«
»Warum haben Sie diesmal eine Videokassette ausgeliehen?«
»Mein DVD-Player ist kaputt. Mein Laptop hat zwar auch ein DVD-Laufwerk, aber ich schaue mir Filme nicht gerne auf einem Computer an. Die Tonqualität ist schlecht.«
»Wo lag diese Kassette in der Videothek, als Sie sie ausgeliehen haben?«
»Wo sie lag?«
»Ich möchte wissen, ob in dem Laden die Kassetten oder nur leere Hüllen auf den Regalen liegen und die Bänder hinter der Theke aufbewahrt werden.«
»Nein, die Kassetten liegen auf den Regalen.«
»Wo lag dieser Film?«
»In der Videothek gibt's einen speziellen Bereich für Filmklassiker. Da lag er.«
»Sind die Filme alphabetisch geordnet?«
»Ich glaube, ja.«
»Erinnern Sie sich, ob dieser Film richtig einsortiert war?«
»Weiß ich nicht mehr.«
»Haben Sie noch einen anderen Film ausgeliehen?«
Die letzte Farbe wich aus Adams Gesicht, als käme ihm gerade der Gedanke, auf anderen Bändern könne ebenfalls etwas so Entsetzliches aufgezeichnet worden sein. »Nein, nur diesen.«
»Kennen Sie andere Kunden der Videothek?«
»Kennen? Nein.«
»Fällt Ihnen jemand ein, der diesen Film ausgeliehen haben könnte?«
»Nein.«
»Jetzt kommt eine unangenehme Frage«, sagte Jessica. »Sind Sie bereit?«
»Ich glaub schon.«
»Haben Sie die junge Frau in dem Film erkannt?«
Adam schluckte und schüttelte den Kopf. »Tut mir leid.«
»Schon okay«, sagte Jessica. »Wir sind gleich fertig. Sie waren großartig.«
Diese Aussicht entlockte dem jungen Mann ein verzerrtes Lächeln. Dass er gleich gehen konnte, dass er überhaupt wieder gehen konnte, schien ihm eine schwere Last von den Schultern zu nehmen. Jessica machte sich noch ein paar Notizen und schaute auf die Uhr.
»Darf ich Sie etwas fragen?«, fragte Adam.
»Klar.«
»Ist das wirklich geschehen?«
»Das wissen wir noch nicht genau.«
Adam nickte. Jessica schaute ihm in die Augen und suchte nach Anzeichen, ob er möglicherweise etwas verschwieg. Doch sie sah nur einen jungen Mann, der in eine seltsame und vermutlich beängstigend reale Sache hineingeraten war. Ein Horrorfilm, der seinem Genre alle Ehre machte.
»Okay, Mr. Kaslov«, sagte sie. »Wir danken Ihnen, dass Sie uns verständigt haben. Wir melden uns wieder bei Ihnen.«
»Okay«, sagte Adam. »Sind wir fertig?«
»Ja. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie vorerst mit niemandem über diese Sache sprechen würden.«
»Okay.«
Sie standen auf und reichten sich die Hände. Adam Kaslovs Hand war eiskalt.
»Einer der Beamten bringt Sie nach unten«, sagte Jessica.
»Danke.«
Als der junge Mann den Verhörraum verließ und den Dienstraum der Mordkommission betrat, schaute Jessica auf den Venezianischen Spiegel. Sie konnte natürlich nicht hindurchsehen, doch es war auch gar nicht notwendig, einen Blick in Kevin Byrnes Gesicht zu werfen. Sie wusste auch so, dass sie beide derselben Meinung waren. Es war unwahrscheinlich, dass Adam Kaslov etwas mit dem Verbrechen zu tun hatte, das in dem Film verübt worden war.
Falls überhaupt ein Verbrechen verübt worden war.
***
Byrne verabredete sich mit Jessica auf dem Parkplatz. Er suchte sich eine ruhige, ungestörte Ecke im Großraumbüro, setzte sich an einen Computer und überprüfte Julian Matisse. Wie erwartet, lag nichts Aktuelles vor. In das Haus von Matisse' Mutter war vor einem Jahr eingebrochen worden, aber damit hatte Matisse nichts zu tun. Er hatte die letzten zwei Jahre im Knast verbracht. Die Liste seiner bekannten Kontakte war ebenfalls veraltet. Byrne druckte die
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