Byrne & Balzano 02 - Mefisto
Neil-Young-Version, die Nirvana/Pearl-Jam-Verknüpfung oder eine neue Stilrichtung, die Jessica im fortgeschrittenen Alter von dreißig jedoch unbekannt war.
Eine Hand voll Kunden sahen sich im Laden um. Der starke Geruch eines Erdbeerduftöls konnte das schwache Aroma von Dope nicht überdecken.
Byrne zeigte dem Angestellten seine Dienstmarke.
»Whoa«, rief der junge Mann. Seine blutunterlaufenen Augen wanderten blitzschnell zu dem Perlenvorhang hinter ihm, der in ein Hinterzimmer führte, in dem sein kleiner Dopevorrat lagerte, wie Jessica stark vermutete.
»Wie heißen Sie?«, fragte Byrne.
»Mein Name?«
»Ja«, sagte Byrne. »Das, was die Menschen benutzen, wenn sie Ihre Aufmerksamkeit erheischen wollen.«
»Ach so. Lenny. Lenny Puskas. Eigentlich Leonard.«
»Sind Sie hier der Geschäftsführer?«
»Offiziell nicht.«
»Was bedeutet das?«
»Das bedeutet, dass ich das Geschäft öffne und schließe, für alle Bestellungen zuständig bin und alle anderen Arbeiten erledige. Und das alles für einen Hungerlohn.«
Byrne hielt ihm die Hülle des Videofilms Psycho, den Adam Kaslov ausgeliehen hatte, vor die Nase. Das Originalband befand sich noch in der Audio-Videoabteilung.
»Hitchcock«, sagte Lenny und nickte. »Ein Klassiker.«
»Sind Sie ein Fan?«
»Ja, ein großer Fan, aber ich muss sagen, dass mir zu seinen politischen Sachen aus den Sechzigern der Zugang fehlt. Topas, Der zerrissene Vorhang und so.«
»Verstehe.«
»Aber Die Vögel, Der unsichtbare Dritte, Das Fenster zum Hof sind absolute Spitzenklasse.«
»Was ist mit Psycho, Lenny?«, fragte Byrne. »Finden Sie den auch klasse?«
Lenny setzte sich aufrecht hin und verschränkte die Arme vor der Brust, als steckte er in einer Zwangsjacke. Dann zog er die Wangen nach innen und bereitete sich offenbar darauf vor, jemanden nachzuahmen. »Ich würde keiner Fliege etwas zuleide tun«, sagte er.
Jessica zuckte mit den Schultern und wechselte einen Blick mit Byrne. »Was soll das denn heißen?«, fragte Byrne.
Lenny sah erschüttert aus. »Das war Anthony Perkins. Das sagt er ganz am Ende des Films. Das heißt, er hat es nicht wirklich gesagt. Es war ein Kommentar. Ich glaube, er lautet: Nun, sie würde nicht mal einer Fliege etwas zuleide tun, aber…« Lennys erschütterter Blick wich Entsetzen. »Sie haben den Film doch gesehen, oder? Ich meine… Da verstehe ich wirklich keinen Spaß.«
»Ich habe den Film gesehen«, versicherte Byrne. »Ich habe aber bisher noch nie jemanden gesehen, der Anthony Perkins nachahmt.«
»Ich kann auch Martin Balsam. Wollen Sie mal sehen?«
»Später vielleicht.«
»Okay.«
»Der Film stammt aus diesem Laden hier?«
Lenny spähte auf das Label, das auf einer Seite der Hülle klebte. »Ja«, sagte er. »Der ist von uns.«
»Wir müssen genau wissen, wer diesen Film wann ausgeliehen hat.«
»Kein Problem«, verkündete er in dröhnendem Tonfall, als imitierte er nun einen jungen FBI-Agenten. Wenn er sich später mit seinen Freunden zum Kiffen traf, würde er ihnen eine tolle Story präsentieren. Er griff unter die Theke, zog einen dicken Spiralblock hervor und blätterte ihn durch.
Während des Blätterns sah Jessica, dass die Seiten von Flecken übersät waren. Einige davon konnte sie problemlos identifizieren. Der Ursprung anderer lag im Dunkeln, und sie zog es vor, nicht weiter darüber nachzudenken.
»Geben Sie das nicht in den Computer ein?«, fragte Byrne.
»Dazu brauchten wir Software«, sagte Lenny. »Und das wiederum würde eine fette Investition bedeuten.«
Eins stand fest: Lenny liebte seinen Chef nicht.
»Der Film wurde in diesem Jahr erst drei Mal ausgeliehen«, sagte Lenny schließlich. »Einschließlich der Ausleihe gestern.«
»An drei verschiedene Kunden?«, fragte Jessica.
»Ja.«
»Weiter gehen die Aufzeichnungen nicht?«, hakte Jessica nach.
»Doch«, sagte Lenny. »Aber wir mussten Psycho im letzten Jahr ersetzen. Das alte Band war gerissen, glaub ich. Die Kopie, die Sie da haben, wurde nur drei Mal ausgeliehen.«
»Für einen Klassiker ziemlich selten«, meinte Byrne.
»Die meisten Kunden leihen die DVD.«
»Und das ist Ihr einziges Exemplar des Films auf Videokassette?«, fragte Jessica.
»Ja, Ma'am.«
Ma'am, dachte Jessica. Ich bin eine Ma'am. »Wir brauchen Namen und Adressen der Personen, die diesen Film ausgeliehen haben.«
Lennys Blick wanderte nach links und rechts, als flankierten ihn zwei Bürgerrechtsanwälte, mit denen er über diese Sache diskutieren
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