Byrne & Balzano 02 - Mefisto
ein paar Minuten Zeit hatte, schaute er sich Filme an.
Er entschied sich für Die Teuflischen aus dem Jahre 1954 mit Simone Signoret, ein Film über Betrug, Mord und alle Geheimnisse – Dinge, mit denen Seth sich bestens auskannte.
Für Seth Goldman steckte die Stadt Philadelphia voller Geheimnisse. Er wusste, wo Blut die Erde befleckt hatte, wo die Knochen vergraben waren. Er wusste, auf welchen Pfaden das Böse wandelte.
Und auf diesen Pfaden wandelte er mitunter auch.
Er legte die DVD ein und setzte die Kopfhörer auf.
Les Diaboliques.
Die Teuflischen.
10.
Vincent Balzano hatte eine Menge schlechter Eigenschaften, aber er war ein verdammt guter Cop. In seinen zehn Jahren als verdeckter Ermittler beim Rauschgiftdezernat hatte er einige der größten Razzien in Philadelphias jüngster Geschichte organisiert. Dank seines Geschicks, sich wie ein Chamäleon zu verwandeln und sich in Drogenkreisen auf allen Seiten des Tisches zu bewegen – ob als Cop, Junkie, Dealer oder Spitzel –, hatte Vincent sich bereits einen Namen gemacht.
Sein Rolodex mit Informanten und gewöhnlichen Ganoven platzte aus allen Nähten. In diesem Augenblick interessierten Jessica und Byrne sich für einen ganz bestimmten Ganoven. Jessica hatte Vincent nicht anrufen wollen, da schon ein falsches Wort, eine beiläufige Bemerkung oder eine falsche Betonung ihre Beziehung gefährdete. Vermutlich war das Büro des Eheberaters in dieser Situation der beste Ort, um sich zu verständigen.
Aber jetzt mussten sie in einem Fall ermitteln, und es war ihre Pflicht, über private Probleme hinwegzusehen.
Während Jessica darauf wartete, dass ihr Ehemann ans Telefon zurückkehrte, dachte sie über den aktuellen Stand des sonderbaren Falles nach, in dem es keine Leiche, keinen Verdächtigen und kein Motiv gab. Terry Cahill hatte über VICAP eine Recherche durchgeführt, aber nichts gefunden, was mit der Mordmethode im manipulierten Psycho vergleichbar gewesen wäre. In der FBI-Datenbank VICAP wurden die im ganzen Land verübten Gewaltverbrechen – vor allem Mordfälle – gesammelt, verglichen und analysiert. Was der Sache bei Cahills Recherche noch am nächsten kam, waren Videos, auf denen Straßengangs die Mutproben gefilmt hatten, denen Neumitglieder sich unterziehen mussten.
Jessica und Byrne hatten Emily Trager und Isaiah Crandall verhört, die beiden anderen Personen, die Psycho im Reel Deal ausgeliehen hatten. Beide Verhöre brachten sie kaum einen Schritt weiter. Emily Trager war schon weit über siebzig und bewegte sich mithilfe eines Rollators – ein kleines Detail, das Lenny Puskas ihnen verschwiegen hatte. Isaiah Crandall war Ende fünfzig, klein und schreckhaft wie ein Chihuahua-Welpe. Er arbeitete als Koch in einer Imbissstube in der Frankford Avenue. Als sie ihm ihre Dienstmarken zeigten, fiel er beinahe in Ohnmacht. Weder Jessica noch Byrne gewannen den Eindruck, dass dieser Typ den Mut gehabt hätte, das zu tun, was auf dem Band zu sehen war. Isaiah sah wirklich nicht wie ein Mann aus, der Leute umlegte.
Sowohl Crandall als auch Mrs. Trager sagten aus, sie hätten sich den Film von Anfang bis Ende angesehen, ohne etwas Außergewöhnliches bemerkt zu haben. Ein Anruf in der Videothek ergab, dass beide den Film pünktlich zurückgegeben hatten.
Die Detectives gaben die Namen in NCIC und PCIC ein, die Verbrecherdateien der Stadt und des Landes. Sowohl Crandall als auch Trager waren sauber. Gleiches galt für Adam Kaslov, Lenny Puskas und Juliet Rausch.
In dem Zeitraum zwischen der Rückgabe des Films durch Isaiah Crandall und der Ausleihe durch Adam Kaslov hatte jemand den Film entwendet und die berühmte Duschszene durch eine eigene Version ersetzt.
Die Detectives hatten keine Spur, und ohne Leichnam war es schwierig, auf eine Fährte zu stoßen, aber sie hatten zumindest eine Richtung. Recherchen hatten ergeben, dass das Reel Deal einem Mann namens Eugene Kilbane gehörte.
Eugene Hollis Kilbane war vierundvierzig Jahre alt, ein Loser und Kleinkrimineller, der vor allem mit Pornos sein Geld machte. Er war Importeur von Hardcore-Büchern, -Zeitschriften, -Filmen und -Videos sowie von Sexspielzeug in allen Ausführungen und anderem Zubehör für ausgefallene Sexspiele. Neben dem Reel Deal betrieb Mr. Kilbane eine zweite Videothek sowie einen Sexshop und eine Peepshow in der Dreizehnten Straße.
Die Detectives hatten seiner ›Firmen‹-Zentrale auf der Rückseite eines Lagerhauses in der Erie Avenue einen Besuch abgestattet.
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