Byrne & Balzano 1: Crucifix
in Sophies Zimmer an.
»Besser?«, fragte sie.
»Besser«, sagte Sophie.
Jessica strich ihrer Tochter über die tränennassen Wangen. »Das Licht geht gleich wieder an. Okay?«
Sophie nickte wenig überzeugt.
Jessica sah sich um. Der Kerzenschein erweckte schattenhafte Geister zum Leben. Jessica kniff Sophie in die Nase, worauf ihre Tochter verhalten kicherte.
Als Jessica oben an der Treppe stand, klingelte das Telefon. Sie ging ins Schlafzimmer und hob ab.
»Hallo?«
In der Leitung knisterte und prasselte es. »Hier ist John Shepherd«, drang es leise an ihr Ohr.
Er hörte sich an, als wäre er auf dem Mond. »Ich kann kaum etwas verstehen. Was ist los?«
»Bist du da?«
»Ja.«
Das Rauschen in der Leitung wurde stärker. »Wir haben gerade einen Anruf aus dem Krankenhaus erhalten, Jessica.«
»Sag das noch mal.« Die Verbindung war miserabel.
»Soll ich es auf deinem Handy probieren?«
»Okay«, sagte Jessica. Dann erinnerte sie sich schlagartig, dass das Handy in ihrem Wagen lag. Der Wagen stand in der Garage. »Nein, ist okay. Sprich weiter.«
»Wir haben gerade erfahren, was Lauren Semanski in der Hand hielt.«
Es ging um Lauren Semanski. »Okay.«
»Es war ein Teil eines Kugelschreibers.«
»Was?«
»Sie hatte einen zerbrochenen Kugelschreiber in der Hand«, rief Shepherd. »Aus dem St. Joseph’s Hospital.«
Jessica hatte verstanden, wollte es im ersten Moment aber nicht wahrhaben. »Was?«
»Auf dem Kugelschreiber waren das Logo und die Adresse des St. Joseph’s. Der Kugelschreiber stammt aus dem Krankenhaus.«
Jessicas Herz setzte einen Schlag aus. Das durfte nicht wahr sein. »Bist du sicher?«
»Jeder Zweifel ist ausgeschlossen«, sagte Shepherd. Seine Stimme wurde immer wieder von Rauschen überdeckt. »Hör zu … das Beschattungsteam hat Farrell verloren … der Roosevelt Boulevard ist überschwemmt …«
Stille.
»John?«
Nichts. Die Leitung war tot. Jessica drückte auf die Empfangstaste und rief: »Hallo?«
Stille.
Sie legte auf, lief zum Dielenschrank und spähte die Treppe hinunter. Patrick war noch immer im Keller.
Sie griff in den Schrank und tastete im oberen Fach. Ihr Kopf drehte sich.
Er hat nach dir gefragt , hatte Angela gesagt.
Sie zog die Glock aus dem Halfter.
Ich war unterwegs zu meiner Schwester in Manayunk , hatte Patrick gesagt, als er keine sechs Meter von Bethany Prices noch warmem Leichnam entfernt stand.
Jessica überprüfte das Magazin. Es war voll.
Sein Arzt war gestern hier , hatte Agnes Pinsky gesagt.
Sie lud die Waffe durch – und stieg die Treppe hinunter.
Draußen wütete der Sturm; die Fensterscheiben klirrten.
»Patrick?«
Keine Antwort.
Jessica erreichte die letzte Stufe, bahnte sich vorsichtig den Weg durchs Wohnzimmer, öffnete die Schublade der Kommode und nahm die alte Taschenlampe heraus. Schaltete sie ein. Leer. Natürlich. Danke, Vincent.
Sie schob die Schublade zu.
»Patrick?« , rief sie laut.
Stille.
Die Sache geriet außer Kontrolle. Ohne eine Taschenlampe würde sie nicht in den Keller gehen. Auf gar keinen Fall.
Jessica lief zurück zur Treppe und stieg leise hinauf. Sie würde Sophie in Decken wickeln, sie auf den Speicher bringen und die Tür verschließen. Sophie würde Höllenqualen leiden, aber sie wäre in Sicherheit. Jessica wusste, dass sie sich beruhigen musste, damit sie nicht die Kontrolle über die Situation verlor. Sie würde Sophie einschließen, ihr Handy holen und Hilfe rufen.
»Es ist alles in Ordnung, mein Liebling«, sagte sie.
Sie hob Sophie aus dem Bett und drückte sie an sich. Sophie zitterte. Ihre Zähne klapperten.
Jessica glaubte, in dem flackernden Kerzenschein etwas Ungeheures erblickt zu haben. Sie musste sich getäuscht haben. Sie nahm eine Kerze in die Hand und hielt sie vor Sophies Gesicht.
Sie hatte sich nicht geirrt. Auf Sophies Stirn war ein Kreuz aus blauer Kreide.
Der Killer war nicht nur im Haus.
Der Killer war in Sophies Zimmer.
71.
Freitag, 21.25 Uhr
B yrne hielt am Roosevelt Boulevard. Die Straße war überschwemmt. Sein Herz klopfte laut; die Bilder schossen durch seinen Kopf, eines nach dem anderen, wie ein Lichtbildvortrag über ein krankhaftes, irrsinniges Gemetzel.
Der Psychopath jagte Jessica und ihre Tochter.
Byrne hatte den Lotterieschein, den der Killer Kristi Hamilton in die Hand gelegt hatte, unter die Lupe genommen. Zuerst hatte er es nicht gesehen. Niemand war darauf gekommen. Doch als das Labor die Nummer sichtbar
Weitere Kostenlose Bücher