Byrne & Balzano 1: Crucifix
vor Ikes Tür stehen. Sie gingen in den Verhörraum A, und Jessica wusste, was das Kopfnicken bedeutete.
Lasst Brian Parkhurst laufen.
24.
Dienstag, 15.20 Uhr
D ie Hauptstelle der Stadtbibliothek befand sich an der Ecke Vine Street und Benjamin Franklin Parkway.
Jessica ging in der Abteilung Kunst und Kunstgeschichte zwischen den Regalen entlang, vorbei an einer riesigen Auswahl an Werken über religiöse Kunst. Sie suchte etwas, das dem Bild ähnelte, das sie und ihre Kollegen an beiden Tatorten vorgefunden hatten – Tatorte, für die es keine Zeugen gab und an denen keine Fingerabdrücke existierten, wo es nur zwei Opfer gegeben hatte, zwischen denen nach dem bisherigen Kenntnisstand keine Verbindung bestand: Tessa Wells, die in dem dreckigen Kellerloch in der North Eighth Street die Arme um eine Säule schlang, und Nicole Taylor, die in einem Blumenfeld lag.
Mithilfe eines Bibliothekars führte Jessica eine Katalogsuche mit verschiedenen Stichwörtern durch. Das Ergebnis war überwältigend.
Es gab Bücher über die Ikonographie der Jungfrau Maria, Bücher über christliche Mythologie und katholische Dogmen, Bücher über Reliquien, das Turiner Grabtuch, die Oxford-Gesellschaft christlicher Kunst . Es gab unzählige Führer durch den Louvre, die Uffizien, die Tate Gallery. Jessica blätterte in Büchern über das Stigma und die römische Geschichte, in denen die Kreuzigung thematisiert wurde. Es gab bebilderte Bibeln, Bücher über die Kunst der Franziskaner, Jesuiten und Zisterzienser, Bücher über kirchliche Wappenkunde und byzantinische Ikonen. In dem Bestand befanden sich farbige Bildbände mit Ölgemälden, Aquarellen, Acrylmalereien, Holzschnitten, Tuschzeichnungen, Wandgemälden, Fresken, Skulpturen in Bronze, Marmor, Holz und Stein.
Wo sollte sie beginnen?
Schließlich blätterte Jessica gedankenverloren in einem prächtigen Bildband mit kirchlichen Stickereien und stellte fest, dass sie sich allmählich verzettelte. Sie versuchte es mit Stichwörtern wie Gebet oder Rosenkranz und fand hunderte von Einträgen. Sie frischte ihr Allgemeinwissen auf und erfuhr unter anderem, dass der Rosenkranz einen marianischen Charakter hatte und die Jungfrau Maria in den Mittelpunkt stellte und dass die Gebete gesprochen werden sollten, während man Christi Antlitz betrachtete. Jessica machte sich bergeweise Notizen.
Sie lieh sich ein paar Bande aus dem Ausleihbestand – viele der Bücher, in denen sie geblättert hatte, gehörten zur Referenzbibliothek. Auf der Rückfahrt zum Roundhouse schwirrten ihr die religiösen Bilder durch den Kopf. Irgendetwas in diesen Büchern wies auf die Inspiration für diese wahnsinnigen Verbrechen hin. Doch Jessica hatte keine Ahnung, wie sie es aufspüren sollte.
Zum ersten Mal im Leben wünschte sie sich, sie hätte im Religionsunterricht besser aufgepasst.
25.
Dienstag, 15.30 Uhr
S ie war von völliger Dunkelheit umgeben – eine ewige Nacht, die keine Zeit kannte. Jenseits der Dunkelheit waren ganz schwach die Geräusche der Welt zu hören.
Von Zeit zu Zeit legte sich ein Schleier auf Bethany Prices Bewusstsein.
Cape May , dachte sie durch den Schleier ihres Bewusstseins, als die Bilder aus der Tiefe ihrer Erinnerung aufstiegen. Seit vielen Jahren hatte sie nicht mehr an Cape May gedacht. Als sie noch ein Kind war, fuhren ihre Eltern mit der Familie immer nach Cape May, ein paar Meilen südlich von Atlantic City an der Küste Jerseys. Sie saß am Strand und vergrub ihre Füße im feuchten Sand. Dad in seiner verrückten, bunt gemusterten Badehose, Mom in ihrem schlichten Badeanzug.
Sie erinnerte sich, dass sie sich in der kleinen Kabine am Strand umgezogen hatte und schon damals wegen ihres Körpers und ihres Gewichts schrecklich gehemmt war. Bei dem Gedanken daran strich sie über ihren Körper. Sie war noch vollständig bekleidet.
Sie wusste, dass sie ungefähr eine Viertelstunde in einem Wagen gefahren war. Vielleicht auch länger. Er hatte ihr eine Nadel in den Arm gestochen, worauf Müdigkeit sie übermannt hatte, ohne dass der Schlaf sie in die Arme schloss. Ringsherum hatte sie die Geräusche der Stadt gehört. Motorenlärm, Hupen, Schritte und die Gespräche von Menschen. Sie wollte um Hilfe schreien, konnte es aber nicht.
Es war still.
Sie hatte Angst.
Der Raum war klein, nicht größer als eine Abstellkammer. Eigentlich war es gar kein richtiger Raum. Eher ein Wandschrank. An der Wand, die der
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