Byrne & Balzano 1: Crucifix
DEM ROSENKRANZ?
Gibt es etwas Schöneres, als seinen Namen unter einer fetten, provokativen Schlagzeile zu lesen?
Die Mädchen mit dem Rosenkranz.
Seine Idee.
Er hatte mit ein paar anderen Titeln geliebäugelt.
Der hier war einfach spitze.
Simon liebte diese Abendstunden, wenn er sich vor dem Ausgehen herausputzte. Obwohl er sich auch für den Job gut kleidete – immer mit Hemd und Krawatte, normalerweise mit Jackett und Stoffhose –, setzte sich seine Vorliebe für den europäischen Stil, den italienischen Schnitt, die teuren Klamotten, abends durch. Wenn er Chaps für den Tag wählte, war es Ralph Lauren für den Abend.
Er probierte Dolce & Gabbana und Prada an, kaufte aber Armani und Pal Zileri. Zum Glück brauchte er bei Boyds nur halbjährlich zu bezahlen.
Er warf einen Blick in den Spiegel. Welche Frau konnte da widerstehen? Es gab in Philadelphia zwar viele gut gekleidete Männer, aber nur wenige verstanden es, sich nach europäischer Mode zu kleiden, ohne dass sie gleich wie Angeber aussahen.
Und dann die Frauen.
Als Simon nach dem Tod von Tante Iris auf eigenen Füßen stand, hatte er eine Zeit lang in Los Angeles, Miami, Chicago und New York City gelebt. Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, in New York zu bleiben – wenn auch nur flüchtig –, kehrte ein paar Monate später aber nach Philadelphia zurück. New York war zu hektisch, zu verrückt. Außerdem waren die Mädchen in Philadelphia ebenso sexy wie die in Manhattan, hatten aber zusätzlich etwas, das sie interessanter machte als die Mädchen in New York.
Bei den Mädchen in Philadelphia hatte man eine Chance.
Simon Close hatte seine Krawatte gerade tadellos gebunden, als es an der Tür klopfte. Er durchquerte seine kleine Wohnung und öffnete die Tür.
Vor ihm stand Andy Chase. Ein glücklicher, schlampig aussehender Andy.
Andy trug eine altmodische, schmutzige Baseballkappe und ein königsblaues Members Only Jackett mit Schulterklappen und Taschen mit Reißverschluss.
Simon zeigte auf seine burgunderrote Jacquard-Krawatte. »Findest du die zu grell?«, fragte er.
»Nee.« Andy pflanzte sich auf die Couch, fischte sich eine Ausgabe der Zeitschrift Mac World heraus und mampfte einen Apfel. »Siehst aus wie ein Papagei.«
»Idiot.«
Andy zuckte mit den Schultern. »Ich kapier nicht, wie du so viel Geld für Klamotten ausgeben kannst. Ich meine, du kannst doch immer nur einen Anzug tragen. Was soll das?«
Simon wirbelte herum und durchquerte das Wohnzimmer wie ein Model auf einem Laufsteg. Er drehte sich im Kreis, stolzierte auf und ab und warf sich in Pose. »Du siehst mich an und stellst mir diese Frage? Ein guter Stil zahlt sich aus, mein Freund.«
Andy gähnte gelangweilt und biss in seinen Apfel.
Simon schenkte sich einen Schluck Courvoisier ein. Für Andy öffnete er eine Dose Bier. »Tut mir Leid. Keine Biernüsse.«
Andy schüttelte den Kopf. »Mach dich ruhig über mich lustig. Biernüsse schmecken viel besser als der Scheiß, den du isst.«
Simon presste beide Hände auf die Ohren. Andy Chases Beleidigungen bereiteten ihm körperliche Schmerzen.
Sie sprachen über die Ereignisse des Tages. Für Simon gehörten diese Gespräche zu den Unkosten, die Geschäfte mit Andy verursachten. Kosten hin, Kosten her, es war Zeit zu gehen.
»Wie geht’s Kitty?«, fragte Simon, der sich bemühte, wenigstens einen Hauch von Interesse zu heucheln. Diese blöde Kuh , dachte er. Kitty Bramlett war eine kleine, ziemlich hübsche Kassiererin im Wal Mart, als Andy sich in sie verliebte. Das war inzwischen siebzig Pfund Gewichtszunahme und ein Doppelkinn her. Kitty und Andy lebten wie viele kinderlose Ehepaare mittleren Alters den Albtraum einer stinklangweiligen Ehe. Essen aus der Mikrowelle, Geburtstage im Olive Garden und zweimal im Monat vögeln, während der Fernseher lief.
Lieber möchte ich sterben , dachte Simon.
»Wie immer.« Andy warf die Zeitschrift auf den Tisch und reckte sich. Simon erhaschte einen Blick auf Andys Hosenbund. Er wurde mit einer Sicherheitsnadel zusammengehalten. »Sie meint immer noch, du solltest versuchen, mit ihrer Schwester anzubändeln. Als hätte sie irgendwas mit dir zu tun.«
Kittys Schwester Rhonda sah aus wie eine weibliche Version von Willard Scott, aber nicht annähernd so feminin.
»Ich ruf sie mal an«, sagte Simon.
»Egal.«
Es regnete noch immer. Simon musste sein tolles Outfit ruinieren. Den London-Fog-Regenmantel vor allem. Aber immer noch besser, als dass der Zileri
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