Byrne & Balzano 3: Lunatic
war seit Jahrzehnten der erste Tag, an dem sie für niemanden zu kochen brauchte. Sie schien sich nicht dazu durchringen zu können, den Pfannenwender aus der Hand zu legen. Das hätte bedeutet, dass Walt nicht zurückkehrte. Wenn man mit einem Polizisten verheiratet war, hatte man jeden Tag Angst um ihn. Man hatte Angst vor Anrufen, vor dem Klopfen an der Tür, vor dem Geräusch eines Autos, das in die Einfahrt fuhr. Sobald im Lokalfernsehen Sonderberichte gebracht wurden, flatterten einem die Nerven.
Und dann, eines Tages, geschah das Unfassbare, und man brauchte keine Angst mehr zu haben. Plötzlich begriff man, dass die Angst über all die Jahre hinweg ein Freund gewesen war. Die Angst bedeutete Leben. Angst war Hoffnung .
Kevin Byrne kam nicht als offizieller Überbringer der Hiobsbotschaft. Er kam als Freund und Kollege. Dennoch war es unmöglich, keine Fragen zu stellen. Er setzte sich auf die Sofalehne und nahm Marjories Hand in die seine.
»Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«, fragte er so behutsam, wie er nur konnte.
Marjorie nickte.
»Hatte Walt Schulden? Gab es jemanden, mit dem er Probleme hatte?«
Marjorie dachte kurz nach. »Nein«, sagte sie dann. »Nichts dergleichen.«
»Hat er jemals irgendwelche Drohungen erwähnt? Gab es jemanden, der sich an ihm rächen wollte?«
Marjorie schüttelte den Kopf. Byrne musste ihr diese Fragen stellen, auch wenn Walt mit seiner Frau vermutlich nicht über solche Dinge gesprochen hätte. Einen kurzen Moment hallte Matthew Clarks Stimme durch Byrnes Kopf.
Es ist noch nicht vorbei.
»Haben Sie den Fall übernommen?«, fragte Marjorie.
»Nein«, sagte Byrne. »Detective Malone und Detective Chavez übernehmen die Ermittlungen. Sie kommen später noch zu Ihnen.«
»Sind sie gute Leute?«
» Sehr gut«, erwiderte Byrne. »Die beiden werden allerdings ein paar von Walts Sachen durchsehen müssen. Ist das okay?«
Marjorie Brigham nickte benommen.
»Denken Sie daran, wenn Sie Probleme oder Fragen haben oder wenn Sie einfach nur reden wollen, rufen Sie mich sofort an, okay? Jederzeit. Tag und Nacht. Ich komme dann sofort zu Ihnen.«
»Danke, Kevin.«
Byrne stand auf und knöpfte seinen Mantel zu. Marjorie stand ebenfalls auf. Schließlich legte sie den Pfannenwender aus der Hand. Dann umarmte sie den großen Mann und presste ihr Gesicht an seine breite Brust.
Die Neuigkeit hatte sich bereits in der ganzen Stadt und der ganzen Gegend verbreitet. Auf dem Lincoln Drive wimmelte es von Journalisten. Diese Story barg Potential für Sensationen. Fünfzig oder sechzig Cops versammeln sich in einer Kneipe, und als einer von ihnen geht, wird er an einem einsamen Abschnitt des Lincoln Drive ermordet. Was hatte er dort gemacht? Drogen? Sex? Eine Abrechnung? Für die Polizeibehörde, die permanent von Bürgerrechtsorganisationen, Prüfungskommissionen und Komitees aller Art beobachtet wurde – ganz zu schweigen von den lokalen und oft auch nationalen Medien –, sah es nicht gut aus. Und der Druck der Bosse, diesen Fall schnellstens zu lösen, war enorm und wuchs von Stunde zu Stunde.
29.
» U m wie viel Uhr hat Walt die Kneipe verlassen?«, fragte Nicci. Sie hatten sich im Besprechungsraum der Mordkommission versammelt: Nicci Malone, Eric Chavez, Kevin Byrne, Jessica Balzano und Ike Buchanan.
»Genau weiß ich es nicht«, sagte Byrne. »Vielleicht so gegen zwei.«
»Ich hab schon mit einem Dutzend Detectives gesprochen. Anscheinend hat niemand gesehen, dass Walt gegangen ist. Dabei war es sein Fest. Kannst du das begreifen?«, fragte Nicci.
Nein, das konnte er nicht. Byrne zuckte mit den Schultern. »Aber so war es nun mal. Wir hatten alle ganz schön getankt. Walt besonders.«
»Okay«, sagte Nicci. Sie blätterte in ihrem Notizbuch ein paar Seiten zurück. »Walt Brigham ist gestern Abend gegen acht Uhr im Finnigan’s Wake aufgetaucht und hat dort das halbe Schnapsregal geleert. Weißt du, ob er ein starker Trinker war?«
»Erstens war er Detective bei der Mordkommission, und zweitens war das seine Abschiedsparty.«
»Stimmt auch wieder«, sagte Nicci. »Hast du mitbekommen, ob er sich hier mit jemandem gestritten hat?«
»Nein.«
»Hast du gesehen, dass er die Kneipe verlassen hat und dann nach einer Weile zurückgekommen ist?«
»Nein«, sagte Byrne.
»Hast du gesehen, dass er telefoniert hat?«
»Nein.«
»Hast du die meisten Leute auf dem Fest gekannt?«, fragte Nicci.
»Fast jeden«, sagte Byrne. »Viele kenne ich schon von Anfang
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