Byrne & Balzano 3: Lunatic
Brighams Gesicht vor sich, als er über die Ermordung von Annemarie DiCillo gesprochen hatte. Byrne hatte Brighams Entschlossenheit gespürt.
Kiefernnadeln. Rauch.
Byrne stieg aus dem Wagen. Er wollte ins Moriarty’s gehen und dort schnell ein Glas trinken. Auf halbem Weg zur Tür änderte er seine Meinung. Er eilte zum Wagen zurück, als wäre er auf der Flucht. Byrne war immer ein Mann spontaner Entscheidungen und blitzschneller Reaktionen gewesen, aber jetzt schien er sich im Kreis zu drehen. Vielleicht hatte Walt Brighams Ermordung ihm mehr zugesetzt, als er geglaubt hatte.
Als er die Wagentür öffnete, hörte er Schritte. Er drehte sich um. Es war Matthew Clarke. Clarke sah nervös und gereizt aus und hatte rote Ränder unter den Augen. Byrne schaute auf die Hände des Mannes.
»Was machen Sie hier, Mr. Clarke?«
Clarke zuckte mit den Schultern. »Wir leben in einem freien Land. Ich kann hingehen, wo ich will.«
»Ja, können Sie«, sagte Byrne. »Aber es wäre mir lieber, wenn es nicht gerade in meiner Nähe wäre.«
Clarke griff langsam in die Tasche und zog ein Fotohandy heraus. Er zeigte Byrne das Display. »Ich kann sogar zur Nummer 1200 in der Spruce Street gehen, wenn ich Lust dazu habe.«
Im ersten Moment dachte Byrne, er habe sich verhört. Dann schaute er sich das Bild auf dem kleinen Display genauer an und spürte Verzweiflung in sich aufsteigen. Auf dem Foto war das Haus seiner Ex-Frau zu sehen. Das Haus, in dem seine Tochter schlief .
Byrne schlug Clarke das Handy aus der Hand, packte den Mann beim Kragen und schleuderte ihn mit dem Rücken gegen die Steinmauer. »Hören Sie mir gut zu«, sagte er. »Verstehen Sie mich?«
Clarke starrte ihn mit bebenden Lippen an. Er hatte diese Begegnung geplant, doch jetzt, da sie gekommen war, traf ihn die harte Wirklichkeit völlig unvorbereitet.
»Ich sage es nur einmal«, sagte Byrne. »Wenn Sie sich noch mal diesem Haus nähern, bringe ich Sie zur Strecke. Dann schieße ich Ihnen eine Kugel in den Kopf. Haben Sie verstanden?«
»Ich glaube, Sie ...«
»Halten Sie den Mund. Hören Sie mir nur zu. Wenn Sie ein Problem mit mir haben, dann klären Sie es mit mir und nicht mit meiner Familie. Lassen Sie meine Familie aus dem Spiel. Wollen Sie die Sache jetzt klären? Heute Abend? Hier? Jetzt gleich? Okay.«
Byrne ließ den Mantel des Mannes los, trat zurück und rang nach Fassung. Es hätte ihm gerade noch gefehlt, dass ein Bürger sich über ihn beschwerte.
Matthew Clarke war kein Verbrecher. Noch nicht. Im Augenblick war er ein ganz normaler Mann, den unerträglicher Kummer quälte. Er prügelte auf Byrne, auf das System und die Ungerechtigkeit der Welt ein. Es waren zwar die falschen Adressen, aber Byrne konnte den Mann verstehen.
»Gehen Sie«, sagte Byrne. »Gehen Sie jetzt.«
Clarke strich seine Kleidung glatt, um ein bisschen zivilisierter auszusehen. »Sie haben mir nicht zu sagen, was ich zu tun habe.«
»Gehen Sie, Mr. Clarke. Holen Sie sich Hilfe.«
»Das ist nicht so einfach.«
»Was wollen Sie?«
»Ich will, dass Sie zugeben, was Sie getan haben«, sagte Clarke.
»Was ich getan habe ?« Byrne atmete tief ein und versuchte, die Fassung zu wahren. »Sie wissen gar nichts über mich. Wenn Sie das gesehen hätten, was ich gesehen habe, wenn Sie an den Orten gewesen wären, an denen ich gewesen bin, könnten wir reden.«
Clarke starrte ihn an. Er gab noch immer nicht auf.
»Sie haben einen furchtbaren Verlust erlitten, Mr. Clarke, und Ihnen gehört mein Mitgefühl. Aber ich kann nichts ...«
»Sie haben sie nicht gekannt.«
»Doch, habe ich.«
Clarke schaute ihn erstaunt an. »Was reden Sie da?«
»Sie glauben, ich weiß nicht, wer sie war? Sie glauben, ich sehe es nicht jeden Tag meines Lebens? Den Mann, der während eines Überfalls die Bank betritt? Die alte Frau, die nach dem Gottesdienst nach Hause geht? Das Kind auf einem Spielplatz in North Philly? Das Mädchen, dessen einziges Verbrechen darin bestand, katholisch zu sein? Glauben Sie wirklich, ich weiß nicht, was Unschuld ist?«
Clarke starrte Byrne noch immer sprachlos an.
»Es macht mich krank«, sagte Byrne. »Aber es gibt nichts, was ich oder Sie oder irgendjemand tun kann. Unschuldige werden verletzt oder sterben. Ihnen gehört mein Mitgefühl, Mr. Clarke, doch so gefühllos es sich anhören mag, mehr habe ich nicht für Sie. Das ist alles, was ich Ihnen anbieten kann.«
Anstatt Byrnes Worte zu akzeptieren und zu gehen, schien Matthew Clarke die Sache auf die
Weitere Kostenlose Bücher