Byrne & Balzano 3: Lunatic
fuhr Nicci ungerührt fort. »Ich würde Ihnen gerne ein paar Fotos zeigen.«
»Oh«, sagte Keith. »Wir mögen Fotos. Wir hier vom Lande brauchen Fotos, denn wir können nicht lesen.«
Kyle brach in schallendes Gelächter aus.
»Sind es schmutzige Bilder?«, fragte Keith.
Die beiden Brüder schlugen sich grölend ihre schmierigen Fäuste in die schwieligen Handflächen.
Nicci starrte sie einen Moment an, ohne eine Miene zu verziehen. Dann atmete sie tief ein, sammelte sich und begann noch einmal. »Es wäre nett, wenn Sie sich das Bild ansehen würden. Dann sind wir auch schon wieder weg.« Sie zeigte ihnen ein Foto. Die beiden Männer warfen einen Blick darauf und gafften dann Nicci und Jessica wieder an.
»Ja«, sagte Kyle. »Das ist mein Haus. Wir können sofort hinfahren, wenn ihr wollt.«
Niccis Blick wanderte kurz zu Jessica und dann zurück zu den Brüdern. Jetzt brach ihre Philly-Mentalität hervor. »Sie haben ein ziemlich großes Maul, wissen Sie das?«
Kyle lachte. »Das hast du ganz richtig erkannt«, sagte er. »Da kannst du jedes Girl hier im Ort fragen.« Er strich mit der Zunge über seine Lippen. »Warum kommst du nicht ein bisschen näher und findest es selbst raus?«
»Vielleicht tue ich das«, sagte Nicci. »Vielleicht trete ich dir gleich kräftig in die Eier.« Sie ging einen Schritt auf die Brüder zu. Jessica legte eine Hand auf Niccis Arm und hielt sie zurück.
»Jungs? Jungs?« , sagte Jessica. »Vielen Dank, dass ihr eure Zeit geopfert habt. Wirklich nett.« Sie hielt ihre Visitenkarte hoch. »Ihr habt das Foto gesehen. Wenn euch noch was einfällt, ruft uns bitte an.« Sie legte die Karte auf die Theke.
Kyles Blick wanderte zu seinem Bruder und dann zurück zu Jessica. »Ja, mir fällt noch was ein. Mir fällt ’ne ganze Menge ein.«
Jessicas Blick war auf Nicci gerichtet, die vor Wut kochte. Dann spürte Jessica, dass Niccis Muskeln sich entspannten. Sie wandten sich zum Gehen.
»Steht deine Privatnummer auch auf der Karte?«, rief einer der Brüder.
Es folgte ein dreckiges Lachen.
Jessica und Nicci kehrten zu ihrem Wagen zurück und stiegen ein. »Erinnerst du dich an den Jungen aus dem Spielfilm Beim Sterben ist jeder der Erste ? «, fragte Nicci. »Der auf dem Banjo gespielt hat?«
Jessica schnallte sich an. »Was ist mit dem?«
»Er scheint Zwillingsbrüder zu haben.«
Jessica lachte. »Wohin jetzt?«
Sie schauten die Straße hinunter. Es schneite leicht. Die Berge waren von einer dünnen weißen Decke überzogen.
Nicci blickte auf die Straßenkarte und tippte dann mit dem Finger darauf. »Ich glaube, wir sollten nach Süden fahren«, sagte sie. »Und unsere Taktik ändern.«
Gegen ein Uhr mittags erreichten sie ein kleines familiäres Restaurant namens Doug’s Den. Die Fassade war aus dunkelbraunem Rauputz, und es hatte ein Mansardendach. Auf dem Parkplatz standen vier Fahrzeuge.
Als Jessica und Nicci zur Tür gingen, setzte starker Schneefall ein.
Sie betraten das Restaurant. Am Ende der Theke saßen zwei ältere Männer, die an ihren John-Deere-Kappen und den abgetragenen Westen auf den ersten Blick als Einheimische zu erkennen waren.
Der Mann, der mit einem Lappen über die Theke wischte, war um die fünfzig. Er hatte breite Schultern, große Hände und an den Hüften schon ein wenig Speck angesetzt. Er trug eine lindgrüne Strickweste über einem sorgfältig gebügelten weißen Hemd und schwarze Dockers.
»Guten Tag«, sagte er. Seine Miene hellte sich auf, als er sah, dass zwei junge Frauen sein Restaurant betraten.
»Guten Tag«, sagte Nicci.
»Was kann ich für die jungen Damen tun?«, fragte er in freundlichem, zuvorkommendem Ton.
Nicci schaute den Mann von der Seite an, als hätte sie das Gefühl, ihn zu kennen. Oder sie wollte ihm diesen Eindruck vermitteln. »Sie hatten früher einen anderen Job, nicht wahr?«, fragte sie.
Der Mann lächelte. »Merkt man das?«
Nicci zwinkerte ihm zu. »Ich sehe es Ihnen an.«
Der Mann warf den Lappen unter die Theke und zog seinen Bauch ein bisschen ein. »Ich war bei der Staatspolizei. Neunzehn Jahre.«
Nicci schenkte ihm ein reizendes Lächeln, als hätte er soeben gesagt, er wäre Ashley Wilkes. »Sie waren Staatspolizist? Welche Kaserne?«
»Erie«, sagte er. »Truppe E. Lawrence Park.«
»Ich liebe Erie«, sagte Nicci. »Sind Sie da geboren?«
»Nicht weit weg. In Titusville.«
»Wann haben Sie aufgehört?«
Der Mann schaute an die Decke und rechnete nach. »Da muss ich überlegen.« Er
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