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Byrne & Balzano 4: Septagon

Titel: Byrne & Balzano 4: Septagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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zeigte, was er draufhatte.
    Der große, stets elegant gekleidete Mann hätte als Doppelgänger von Denzel Washington durchgehen können, wäre seine Nase nicht dreimal gebrochen gewesen. Als Jessica in die Mordabteilung versetzt worden war, ergraute Shepherds Haar bereits; mittlerweile war es silbergrau – der Preis für viele bittere Erfahrungen.
    »Was wissen wir?«, fragte Byrne ihn.
    »Wir wissen, dass es sich um ein menschliches Wesen handelt«, sagte Shepherd. »Und wir wissen, dass dieses menschliche Wesen in einem flachen Grab verscharrt wurde, vermutlich innerhalb der letzten sechs Monate. Das ist aber auch schon alles.«
    »Ich nehme an, der Leichnam hatte keine Fahrerlaubnis und keine Sozialversicherungskarte dabei, stimmt’s?«
    »Stimmt«, sagte Shepherd. »Anhand der spärlichen Kleidung und der Laufschuhe in einer ziemlich kleinen Größe nehme ich an, dass es eine zierliche Frau war. Könnte aber auch eine Jugendliche gewesen sein. Aber das ist von meiner Seite pure Spekulation.«
    Jessica und Byrne gingen zu dem flachen Grab. Die hellen Polizeischeinwerfer tauchten es in blaues Licht.
    Detective Nicci Malone kam zu ihnen.
    »Hi«, sagte sie. Jessica und Byrne nickten ihr zu.
    Nicolette Malone war Anfang dreißig und Polizistin des Philadelphia Police Departments in der dritten Generation. Die sportliche, eins fünfundsechzig große Frau hatte den Job wie ein Erbe angetreten – genauso, wie es bei Jessica gewesen war. Nach ein paar Jahren Streifendienst und mehreren Jahren im Rauschgiftdezernat hatte Nicci durch harten Einsatz und ihre scharfe Intelligenz den Aufstieg in die Mordkommission geschafft. Wer auch nur die Andeutung machte, Nicci habe diesen Job wegen ihres Geschlechts bekommen, konnte sich warm anziehen. Jessica hatte in einigen Fällen mit Nicci Malone zusammengearbeitet und wusste, dass sie eine clevere und einfallsreiche Frau war, wenn auch ein bisschen hitzköpfig. Was das anging, hätten sie Zwillingsschwestern sein können.
    »Weißt du schon irgendwas über die Identität des Opfers?«, fragte Jessica.
    »Bis jetzt nicht«, erwiderte Nicci.
    In der Ferne blitzte und donnerte es. Die dicken schwarzen Wolken über der Stadt ließen keinen Zweifel aufkommen, dass in Kürze ein Unwetter losbrechen würde. Die Beamten der Spurensicherung hatten Plastikplanen bereitgelegt, um den Leichnam nötigenfalls zu bedecken.
    Die vier Detectives standen am Rand des Grabes. Der Leichnam war bereits stark verwest. Trotz einschlägiger Seminare an der Temple University wusste Jessica nur wenig über den Zersetzungsprozess. Sie wusste jedoch, dass ein Leichnam, der nicht einbalsamiert war und in gewöhnlicher Erde ohne Sarg zwei Meter tief vergraben war, sich erst nach ungefähr zehn Jahren vollständig in ein Skelett verwandelt hatte.
    Dieser Leichnam lag nur einen Meter tief im Boden, ohne Sarg. Das bedeutete, dass er einer größeren Menge Sauerstoff ausgesetzt war; hinzu kamen die Auswirkungen des Regens und der Insekten an der Oberfläche.
    In Philadelphia endeten jedes Jahr ungefähr dreihundert Leichen oder Teile menschlicher Körper auf dem Tisch des Gerichtsmediziners. Opfer, die weniger als ein Jahr zuvor als vermisst gemeldet worden waren, konnten meist schnell identifiziert werden. Andere Identifizierungen dauerten sehr viel länger und erforderten spezifischere Untersuchungsmethoden. In manchen Fällen wurde ein forensischer Anthropologe hinzugezogen.
    »Wer hat den Leichnam gefunden?«, fragte Jessica.
    Nicci zeigte auf einen Mann, der etwa zehn Meter entfernt neben einem Streifenwagen auf der Belmont Avenue stand. Neben ihm saß ein großer, sichtlich unruhiger Hund. Es war ein deutscher Schäferhund, der an seinem Halsband und der Leine zerrte, da er offenbar an den Tatort zurückwollte.
    »Der Mann ist durch den Park gejoggt«, sagte Nicci mit Blick in ihr Notizheft. »Er heißt Gerald Lester. Er hat ausgesagt, dass er auf das Plateau kam und sein Hund ihn förmlich an den Fundort gezerrt hat, wo er dann mit den Pfoten zu graben begann.«
    »Aber doch wohl keinen Meter tief?«, fragte Jessica.
    »Natürlich nicht, du Witzbold«, erwiderte Nicci. »Aber jetzt kommt das Interessante. Nach Aussage Lesters ist der Hund in Richmond, Virginia, als Leichenspürhund ausgebildet und eingesetzt worden. Lesters Frau hat dort früher in der Hundestaffel K-9 gearbeitet. Als Demetrius in Rente geschickt wurde, haben sie ihn adoptiert.«
    »Demetrius?«, fragte Byrne.
    »Ja, so heißt der Hund.

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