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Byrne & Balzano 4: Septagon

Titel: Byrne & Balzano 4: Septagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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abgelöst, das damit nicht nur das höchste Gebäude in Philadelphia ist, sondern in ganz Pennsylvania.«
    Antoinette betrachtete ihre Fahrgäste, die auf die Stadt blickten. Die meisten waren mittleren Alters und leger gekleidet.
    »Die Statue von William Penn auf der Spitze des Uhrenturms ist ein Prunkstück«, fuhr sie auswendig fort. »Sie ist elf Meter hoch und wiegt siebenundzwanzig Tonnen. Noch immer ist sie weltweit die größte Statue auf einem Gebäude.«
    Ein Mann hinten in der Gruppe hob die Hand wie ein artiger Schüler, der sich zu Wort melden wollte. Er trug einen schweren Rucksack auf dem Rücken, wie Wanderer sie bei langen Touren mit sich führten.
    »Darf ich eine Frage stellen?«, wollte der Mann wissen.
    Wow, dachte Antoinette. Ein höflicher Mensch. »Gerne.«
    »Ich habe ein bisschen in meinem Fodor’s gelesen«, sagte er und hielt den Reiseführer hoch. »Das Buch geht detailliert auf das Gebäude ein, aber es steht wenig über die Uhren darin. Mich haben Uhren schon immer fasziniert.«
    Antoinette strahlte und warf ihren Kopf mit dem ergrauten Haar nach hinten. Mein Gott, sie brauchte eine neue Dauerwelle. »Da fragen Sie genau die Richtige ...«
    Joseph Swann blendete die Frau aus. Diese Fähigkeit hatte er als Kind entwickelt, als er dem einstudierten Geschwafel seines Vaters gelauscht hatte, während dieser seine Show abwickelte – die Fähigkeit, jemandem nicht zuzuhören und dennoch alles zu verstehen und wiederholen zu können, was er sagte.
    Joseph wusste, dass er durch seine Fragen die Aufmerksamkeit auf sich lenkte, doch er hatte nicht widerstehen können. Außerdem hatte er die Kunst des Schminkens und Verkleidens von einem Meister erlernt. Niemand wusste, wie er wirklich aussah. Und ehe man ihn mit den Ereignissen der nächsten vierundzwanzig Stunden in Verbindung bringen konnte, wäre er längst über alle Berge.
    In Wahrheit wusste er alles, was man über die große Uhr am Uhrenturm der City Hall in Philadelphia wissen konnte. Er wusste, dass die Uhr seit dem Neujahrstag 1899 lief. Er wusste, dass die Ziffernblätter einen Durchmesser von ungefähr acht Metern hatten und damit größer waren als die von Big Ben. Er wusste, dass die Stundenzeiger knapp vier Meter lang waren.
    Er wusste auch, dass die Tür, durch die er gehen musste, auf der anderen Seite des Turmes lag, genau gegenüber vom Aufzug. Er hatte diese Führung schon einmal mitgemacht. Damals war er als älterer Herr mit starkem deutschen Akzent aufgetreten. Deshalb wusste er, dass diese Tür mit einem normalen Yale-Schloss versehen war. Mit seinem Geschick würde er keine zehn Sekunden benötigen, um die Tür zu öffnen. Wahrscheinlich würde es noch schneller gehen.
    Swann hatte alles geplant. Sobald jemand bemerkte, dass er fehlte, und den Sicherheitsdienst rief, würde er blitzschnell seine Kleidung wechseln und über die Treppe auf der Südseite ins Erdgeschoss zurückkehren.
    Besonders wichtig war, dass er alles über die Beleuchtung der Uhr wusste. Er besaß detaillierte Konstruktionszeichnungen und hatte sich jahrelang intensiv damit beschäftigt. Ursprünglich wurden die Ziffernblätter der Uhr von fünfhundertzweiundfünfzig einzelnen Glühbirnen beleuchtet. Jetzt erfüllten goldfarbene Neonröhren diese Aufgabe.
    Ja, er wusste alles, was Antoinette ihm über die berühmte Uhr erzählen würde, die das protzige, atemberaubende Bauwerk des Architekten John McArthur zierte.
    Doch ihm ging es nur um ein Ziffernblatt der Uhr.
    Dem auf der Nordseite des Uhrenturms.
    Das Ziffernblatt, das auf die Badlands gerichtet war.
    »... war eine Geschichte, die 1906 begann. Es haben sich so viele Menschen auf die Anzeige dieser Uhr verlassen, weil man sie auch aus großer Entfernung sehen konnte. Deshalb wurden die Lichter der Turmuhr jeden Abend um 20.57 Uhr ausgeschaltet.« Antoinette beherrschte den Text, den sie bei den Führungen herunterrasselte, im Schlaf. »Wissen Sie, warum?«
    Die Touristen wechselten fragende Blicke.
    »Damit die ganze Stadt drei Minuten später, wenn das Licht wieder eingeschaltet wurde, wusste, dass es genau 21.00 Uhr war!«
    Antoinette Ruolo schaute auf ihre Uhr. »Apropos Zeit, es tut mir leid, aber wir müssen die Besichtigung in wenigen Minuten beenden.« Das war ihr Lieblingssatz. »Wir treffen uns in zehn Minuten am Aufzug.«
    Als Antoinette zum Aufzug ging, rumorte es in ihrem Magen. Sie setzte sich auf die Bank und spielte mit dem Gedanken, ihre Schuhe auszuziehen und sich kurz die

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