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Byrne & Balzano 4: Septagon

Titel: Byrne & Balzano 4: Septagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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auf die Uhr; dann glitt sein Blick über die Gastronomiemeile hinweg. Der Andrang der abendlichen Pendler hatte sich längst gelegt. Nur noch ein paar Nachzügler trieben sich herum.
    »Hör mal«, begann er. »Ich muss ein paar Telefonate führen. Wir treffen uns an der Ecke Dreiundzwanzigste und Walnut, okay? Dann gehen wir ein bisschen spazieren.«
    Lilly hatte verstanden: Niemand sollte sehen, dass er den Bahnhof mit ihr verließ. Das sagte ihr alles, was sie wissen musste. »Okay.«
    »Weißt du, wo das ist?«
    »Das finde ich schon«, erwiderte Lilly.
    »Bist du sicher?«
    Lilly lachte. Es klang schaurig, beinahe unheimlich, aber sie war sicher, dass es dem Mann nicht auffiel. »Den Weg nach Philadelphia hab ich ja auch gefunden, nicht wahr?«
    Der Mann stimmte in ihr Lachen ein. Diese Zähne. Puh.
    Kurz darauf stand der Mann auf und schaute wieder auf die Uhr. Dann durchquerte er, ohne einen Blick zurückzuwerfen, die große Halle und ging zum Ausgang an der Dreißigsten Straße. Sie sah, wie er sich die Hose zurechtrückte, und hätte sich am liebsten auf ihn gestürzt.
    Lilly schloss einen Moment die Augen. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wie sie sich in dieser Situation verhalten sollte. Sie dachte an ihr Zuhause, ihr Zimmer, ihren Fernseher, ihr Handy und ihren Hund Rip. Rip war ein dreizehn Jahre alter, fast blinder Cairn-Terrier. Als sie an Rip und seinen verbeulten weißen Fressnapf dachte – an ihren blinden Hund, der gegen Türrahmen prallte und dann winselnd zurückwich –, stiegen ihr Tränen in die Augen. Sie riss sich zusammen. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, Schwäche zu zeigen oder sentimental zu werden oder sich an die Vergangenheit zu klammern. Sie hatte etwas vor und musste sich darauf konzentrieren.
    Er bemühte sich um ein unverfängliches Gespräch. Es gelang ihm. Es hätte belangloser nicht sein können. »Weißt du eigentlich, dass Philadelphia früher mal die Hauptstadt der Vereinigten Staaten gewesen ist?«
    Natürlich wusste Lilly das. Das wusste jedes Schulkind in Amerika. »Echt? Ich hatte keine Ahnung.«
    »Weißt du, wer diesen Ort entdeckt hat?«
    Meine Güte, dachte sie. Penn und Teller?
    »William Penn natürlich.« Er zeigte aufs Ende der Market Street, wo die City Hall auf dem Penn Square in die Höhe ragte. Die Statue von William Penn leuchtete in der Dunkelheit.
    »Wow«, sagte sie. »Cool.«
    Er schickte sich an, ihre Hand zu umfassen. Plump. Lilly griff in ihren Rucksack, um sich der Berührung zu entziehen. Sie zog den Reißverschluss auf und nahm die Kaugummis heraus, bot ihm aber keins an. Er bemerkte es nicht. Lilly hingegen fiel auf, dass er unentwegt auf ihre Brust starrte.
    »Hier lang gibt’s was, das du unbedingt sehen musst«, sagte er. »Überall trifft man auf Geschichte.«
    Sie gingen die Gasse hinunter, bogen um die Ecke und blieben stehen. Es gab nicht das Geringste zu sehen.
    »Weißt du was?«, sagte er.
    »Was?«
    »Du bist sehr hübsch.«
    Jetzt fängt er mit dieser Masche an. Außerdem wusste Lilly, dass es eine Lüge war. Sie sah total scheiße aus. Wahrscheinlich stank sie sogar. Sie war von zu Hause ausgerissen. Ausreißerinnen sahen immer ein bisschen schlampig aus. »Danke«, sagte sie.
    »Darf ich dich was fragen?«
    Lilly hätte fast gelacht. »Klar.«
    »Gefalle ich dir? Wenigstens ein bisschen?«
    Und wie. Wie eine Brandblase oder wie Ausschlag, dachte Lilly. »Ja, klar«, erwiderte sie. »Ich bin doch hier, nicht wahr? Warum fragen Sie?«
    »Weil Jungen unsicher sind«, sagte er mit einem verzerrten Lächeln.
    Jungen. Sie hätte kotzen können. Es wurde Zeit, dass die Party anfing. »Auf mich machen Sie aber keinen unsicheren Eindruck.«
    »Ach ja?«
    »Echt nicht. Sie wirken auf mich eher wie Matt Damon. Älter ... so alt wie mein Dad ungefähr. Aber trotzdem noch ziemlich cool.«
    Er lächelte verzerrt. Das gefiel ihr gar nicht.
    »Weißt du, ich habe nachgedacht«, sagte er. »Wenn du knapp bei Kasse bist, könnte ich dir helfen. Du kommst ja nicht von hier. Ich bin auch getrampt, als ich jünger war. Ich weiß, wie das ist.«
    »Ich war bis jetzt noch nie in Philadelphia«, sagte sie. »Ich hatte keine Ahnung, wie teuer hier alles ist.«
    »Ganz schön teuer, ja. Nicht wie in New York, aber teurer als zum Beispiel in Baltimore.«
    Lilly grinste und zwinkerte ihm zu. »Wie viel haben Sie denn?«
    Der Mann lachte wieder, genauso gekünstelt wie zuvor. Er griff in seine Gesäßtasche und zog ein tarnfarbenes Nylonportemonnaie

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