Byzanz
Dass er dabei den Rosenkranz zu Hilfe nehmen durfte, verdankte er dem Umstand, dass auch die Christen dieses wunderbare Hilfsmittel benutzten.
Auch wenn es ihn trieb, den gefährlichen Brief so schnell wie möglich dem Empfänger zu übergeben, so hatte er dennoch gemessen zu schreiten. Ein Mönch, der es eilig hatte, fiel nämlich auf. Das wusste sogar der Muslim. Er hatte gerade »der Beschützer und Bewacher, der Erhabene« in der Aufzählung der Gottesnamen erreicht, als eine tiefe Stimme in seinen Rücken stach: »Gelobt sei Gott!«
Er wandte sich um und biss sich auf die Zunge, denn beinahe hätte er, der Gewohnheit folgend, geantwortet: »Es gibt keinen Gott außer Allah, und Muhammad ist der Gesandte Gottes.« Er senkte die Stimme, räusperte sich und entgegnete: »Gelobt sei Jesus Christus.«
»In Ewigkeit, amen«, antwortete ein junger Mann, dessen hohe, fleischige Jochbeine ihm ein sanftes Aussehen verliehen. Aus kastanienbraunen Augen unter schweren Lidern musterte er den Türken.
»Wohin des Weges, Bruder?«, fragte er freundlich.
»Zur Hagia Sophia«, log der Türke. Er wurde nicht schlau aus dem Mann, der ihn angesprochen hatte, auch wusste er nicht, ob er einen Mönch oder einen Gelehrten vor sich hatte, denn er trug in der Tat die Kutte der Mönche, aber nicht deren Kopfbedeckung dazu und auch keinen Gürtel, an dem ein Kreuz hätte hängen müssen, wie bei ihm. Auf dem schön geformten Mund, dessen Lippen weder zu schmal noch zu breit waren, weder eine Neigung zu übertriebener Askese noch zu ausufernder Sinnlichkeit verrieten, kräuselte sich ein Lächeln.
»Dann haben wir ein Stück Wegs gemeinsam. Ich will zu Loukas Notaras, dessen Frau niederkommt. Hoffen wir das Beste. Meine Name ist Basilius.«
Dieser verfluchte Basilius! Konnte er sich keinen anderen suchen, der ihm die Zeit vertreiben sollte?, ärgerte sich der Türke. Denn jetzt musste er sich eine Ausrede einfallen lassen, weshalb er ihn hinsichtlich seines Ziels angelogen hatte, wo sie doch beide zum gleichen Palast wollten.
Derweil stieg der Arzt Morpheo gewichtigen Schrittes die Treppen zum Notaras-Palast hoch. In seinem Schlepptau hatte er zwei Jünglinge, Zwillinge, die gemeinsam rechts und links an den Henkeln einen großen hölzernen Kasten trugen, der mit einem Deckel verschlossen war, sodass niemand einen Blick auf den Inhalt werfen konnte. Vor ihm lief ein Diener und zeigte ihnen den Weg. Er wies auf die Schlafzimmertür. Morpheo, untersetzt, grauhaarig, mit Knollennase, die so rot glühte, dass sie ihrem Besitzer auch im Dunkeln den Weg auszuleuchten vermochte, wandte sich Loukas zu. »Eure Frau, die niederkommt?«
Loukas nickte.
Morpheo griff in die tiefe Tasche seiner langen schwarzen Tunika und zauberte ein Fläschchen hervor. »Nehmt. Es beruhigt die Nerven.« Loukas wehrte ab, er zog es vor, Herr seiner Sinne zu bleiben. Mit einem Achselzucken steckte der Arzt die Phiole wieder ein. Der Diener hatte unterdessen an der Tür geklopft, und Martina Laskarina kam heraus.
»Edler Morpheo, wir werden deiner Künste bedürfen. Du hast alles dabei?«
»Ja, Meisterin«, antwortete Morpheo mit hörbarer Verehrung.
»Geh schon vor. Ich muss zuvor noch mit diesem Mann reden.«
Loukas schrak zusammen. Die Ankündigung dessen, was die Ärztin zu sagen hatte, klang nicht gut. Morpheo verschwand mit seinen Gehilfen im Zimmer, während Martina nun vor Loukas stand. Es war ihm noch nie aufgefallen, wie klein und zart die Ärztin eigentlich war. Er überragte sie tatsächlich um Haupteslänge.
»Wir haben alles versucht, das Kind dreht sich nicht.«
»Und nun?« Noch nie in seinem Leben hatte sich Loukas so hilflos gefühlt, nicht einmal, als er in Edirne im Arrest auf seine vermeintliche Hinrichtung wartete.
»Ich habe nur eine Möglichkeit, die Mutter, aber wenigstens das Kind zu retten.« Loukas ahnte, worauf sie hinauswollte. Er starrte sie an.
»Die sectio caesarea .«
»Der Kaiserschnitt«, wiederholte Loukas weiß wie eine Wand, als wäre damit das Todesurteil über seine Frau gesprochen. »Wenn Ihr nur das Leben meiner Frau rettet?«
Martina schüttelte fast unmerklich den Kopf. »Das Kind liegt quer. Wir bekommen es nicht heraus. Es würde im Mutterleib sterben und dadurch die Mutter mit Leichengift töten.«
Loukas riss die Hände vors Gesicht, ließ sie aber sinken und zwang sich zur Ruhe. »Ist das Euer erster Kaiserschnitt?«
»Ich habe sie nicht gezählt.«
»Wie oft konntet Ihr das Leben von Mutter und
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