Byzanz
Blusen trugen. Übernachtete er in einem Wirtshaus, gingen ihm die schwermütigen Lieder, die in der Gaststube gesungen wurden, zu Herzen. Schwer vorstellbar, dass es hier irgendwann einmal anders gewesen war, noch schwerer vorstellbar, dass es hier einmal anders kommen könnte.
In Buda erkundigte er sich nach Meister Urban, denn er wollte nicht direkt nach der Königin fragen, und hoffte, dass Barbara ihren Alchemisten in die Verbannung mitnehmen durfte. Er hatte sich nicht getäuscht und erfuhr, dass Urban die Königin nach Großwardein begleitet hatte. Nun wusste er, wo sie sich befand. Hinter Buda tauchte er in eine Waldsteppe ein, die nur von Feldern und Dörfern unterbrochen wurde. Jede winzige Viehweide und jeder noch so kleine Acker waren dem Wald durch Rodung mühselig abgerungen worden. In Szolnok, einem kleinen Handwerkerstädtchen, in dem auch die Verwaltung der Grafschaft ihren Sitz hatte, überquerte er die Theiß. Als lästig empfand er die Mücken, die in den Sümpfen ihr Paradies gefunden hatten und von dort aus gnadenlos auf Vieh und Mensch losgingen, um von ihrem Blut zu leben. Linderung und Schutz brachte ein heftiger Regen, der binnen Kurzem allerdings auch den Weg aufweichte. So lagen Vorteil und Nachteil des Wolkenbruchs dicht beieinander. Alexios beneidete Înger um sein Fell, denn seine Kleidung war gründlich durchnässt.
Nach vier Tagen strammen Rittes stand er vor dem wuchtigen Stadttor von Großwardein. Durch die Stadt floss – ihrem Namen widersprechend – träge die Schnelle Kreisch, als wolle sie die Bewohner nicht verschrecken. Die Häuser wirkten klein und geduckt und trieften von der Nässe des Dauerregens.
Sein Pferd und der Kuvasz wateten durch den Schlamm der unbefestigten Straßen. Die Einwohner halfen sich, indem sie von Stein zu Stein sprangen, die man ausgelegt hatte, damit die Bürger der Stadt auch nach einem großen Regen trockenen Fußes unterwegs sein konnten. Er hielt sein Pferd an, um sich dieses erheiternde Schauspiel anzuschauen, wie die Frauen die Röcke rafften und von Inselchen zu Inselchen sprangen, dabei noch ihre Körbe ausbalancierten, wie viel Geschicklichkeit sie aufbrachten, wenn sich zwei auf dem Buckel des Steins begegneten. Gar nicht zu reden von den Männern. Trugen sie Säbel, erwies sich die Bewaffnung für diese Art der Fortbewegung als äußerst hinderlich. Alles in allem wirkten die Bewohner wie Frösche, die von Blatt zu Blatt hüpften.
In diese etwas kuriose Idylle platzte ein großes Geschrei. Eine dicke Magd mit einer Gans unter dem Arm stritt mit einer nicht minder beleibten Bäuerin, die einen Korb mit Eiern trug, darum, wer wem den Vortritt zu lassen hatte. Alexios verstand kein Wort, schloss aber aus den Gesten, dass die Magd und die Bäuerin einander in herzlicher Abneigung verbunden waren. Das Gezeter schwoll an und die pausbäckigen Gesichter zündeten sich rot an. Schließlich hatte der Zorn auch den letzten Rest vernünftiger Zurückhaltung bei den beiden Frauen aufgebraucht, sodass sie gleichzeitig auf den leeren Stein in ihrer Mitte sprangen. Sie prallten gegeneinander, wankten und fielen bäuchlings in den Schlamm, der hoch aufspritzte. Während der Gänsemagd das Tier schnatternd davonlief und das Weiß der Federn dabei schnell die kotbraune Färbung des Straßenschmutzes annahm, war die Bäuerin auf ihren Korb gefallen und hatte mit ihrem Gewicht die meisten Eier zerdrückt. Eine große, ungeschickte, täppische Henne. In ihrer Wut warf sie mit den Eierschalen, aber auch mit den wenigen Eiern, die den Sturz heil überstanden hatten, nach der Rivalin. Die stürzte sich sogleich auf die Eierwerferin, sodass die beiden Frauen ein Knäuel bildeten, das sich im Matsch hin und her wälzte. Eine Menschentraube bildete sich, die sich köstlich amüsierte. Die Frauen zogen einander an den Haaren, suchten sich gegenseitig in die Nase zu beißen oder das Gesicht zu zerkratzen. Als sie merkten, dass keine auf diese Weise den Sieg über die andere erringen würde, ließen sie einander schließlich los und tauchten beide Hände tief in den Matsch. So viel sie von der übel riechenden Masse zu greifen bekamen, warfen sie auf die andere. Plötzlich blieb die Magd wie vom Donner gerührt stehen, da traf sie auch schon eine Ladung Schmutz mitten im Gesicht und lief an ihr herunter. Sie erschrak heftig, fluchte, dass es Alexios ganz recht war, den Wortlaut nicht zu verstehen, und patschte in höchster Eile durch den Straßenkot wie ein
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