Byzanz
Freundliche Worte und ein paar persönliche Geschenke wie Almosen bildeten die ganze Ausbeute, die seine zweijährige Reise eingebracht hatte. Beide, der Kaiser und sein Dolmetscher, waren ernüchtert und schockiert von ihrer Reise zurückgekehrt. Außer großen Worten, Desinteresse und Verrat hatten sie vom Westen nichts zu erwarten.
Und nun lag der Kaiser da, gelähmt wie sein Reich. Als Angehörige des Hochadels kannte Martina Laskarina die Verhältnisse am Hof, auch wenn sie sich nicht sonderlich für die Ränke und Intrigen im Blachernenviertel interessierte.
»Bleibt nicht abseits, sondern helft, das Reich zu retten. Das wäre Manuels Wille. Jeder sieht doch, Johannes ist zu schwach und sein begabter Bruder Konstantin noch zu jung«, drang sie in die beiden Männer.
»Jeder Grieche und Rhomäer, aber auch die Lateiner in unseren Mauern werden ihren Beitrag leisten müssen. Und wir wollen es tun«, antwortete Loukas, während sein Vater in Gedanken an Manuel, den er einen Freund genannt hätte, wäre er nicht der Kaiser gewesen, versunken war.
»Wie geht es mit ihm weiter? Wird er den Schlag überwinden?«, fragte Nikephoros leise.
Die Ärztin hob vage die Hände. »Wir können nur beten«, sagte sie. Noch in keinem Krankheitsfall hatte sie diese Wendung gebraucht, aber diesmal lagen die Dinge anders. Diesmal hatte es nicht nur den Menschen getroffen, sondern mit und durch ihn den ganzen Reichskörper.
Und eine Frau betete unausgesetzt, seitdem die Türken die Stadt belagerten. Das entsprach eigentlich nicht ihrer Art. Doch zu gewaltig war der Hass, der in Sophia von Montferrat, der vernachlässigten Gemahlin des Kaisers Johannes VIII., wütete. Konstantinopel stellte für sie nicht mehr als ein großes Gefängnis dar, in dem sie langsam bei lebendigem Leib verfaulte. Jeder, der dieses Gefängnis sprengen würde, kam ihr recht, selbst die Türken. Auch wenn sie unter den Trümmern des einstürzenden Gebäudes begraben werden würde, würde sie den Zusammenbruch bejubeln! So groß war der Hass, dass er jede menschliche Regung in ihr mit Frost überzog. Sophia hatte nicht einmal mehr Mitleid für sich selbst übrig.
51
Kaiserpalast, Konstantinopel
Am Abend empfing eine sehr beherrscht wirkende Helena Palaiologina Loukas in ihrem Handarbeitszimmer. Sie hatte nach ihm geschickt. Ein leichter Luftzug wehte den lieblichen Geruch von Lavendel und Thymian herein. Die alte Kaiserin begrüßte den Kapitän kurz, wies ihm einen Platz auf dem Stuhl ihr gegenüber zu und machte ihm Vorwürfe, dass er es nicht für nötig befunden hatte, sie von der Geburt ihrer Urenkelin zu unterrichten. Loukas verteidigte sich und erinnerte die Kaiserin daran, dass Eirene als verstoßen und nicht mehr zur kaiserlichen Familie gehörend gelte.
»Unfug!«, fuhr ihm Helena energisch ins Wort. »Sie bleibt eine Palaiologina, so wie meine Urenkelin eine Palaiologina ist. Wie heißt sie eigentlich?«
»Anna.«
»Dann werde ich ihr morgen einen Besuch abstatten.« Loukas wollte sich erheben, doch die Kaiserin machte ihm ein Zeichen, sitzen zu bleiben. »Reden wir über die Familie, wenn wir die Familie verteidigt haben.« Während der Kapitän der Kaiserin zuhörte, bewunderte er seinen Vater. Es war so gekommen, wie Nikephoros es vorausgesehen hatte. Manuel oder Helena würden ihn in die Politik und an die Seite ihres Sohnes zurückholen.
Eine Stunde später saß er bereits zwischen den Oberbefehlshabern der Truppen und der Flotte im Geheimen Rat, den Kaiser Johannes VIII. im Geheimen Besprechungssaal abhielt. Da die Flotte nicht benötigt wurde, beschloss man, die Matrosen bis auf kleine Schiffswachen als Unterstützung gegen den türkischen Ansturm auf den Zinnen einzusetzen.
Johannes warf dem Kapitän einen müden Blick zu. »Gibt es die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung? Du kennst doch Murad.«
Loukas hatte diese Frage erwartet und sich zugleich vor ihr gefürchtet, zumindest vor ihrem zweiten Teil. Nach seiner Meinung hatte die Unterstützung, die Konstantinopel dem falschen Mustafa gewährt hatte, Murad lediglich verärgert. Die Eroberung von Gallipoli jedoch hatte die Tür für eine Verständigung krachend zugeschlagen. Politisch eine Meisterleistung!, dachte er. Er sagte es nicht, aber die Kritik stand im Raum. Die Männer starrten betreten zu Boden, und auch der Kaiser brachte alle Selbstbeherrschung auf, um nicht vor Scham den Blick zu senken, denn Gallipoli hatten sie nur wenige Monate besessen. Murad hatte
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