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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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hörte nicht auf, es hörte einfach nicht auf!
    Der Abend brachte wenigstens erträgliche Temperaturen. Posaunen ertönten, wieder und wieder. Von türkischer Seite griffen keine neuen Truppen mehr in die Schlacht ein, und die Krieger, die noch kämpften, versuchten sich langsam von ihren Gegnern zu lösen. Manche, die eben noch die Klingen gekreuzt hatten, grüßten einander und steckten die Waffen ein.
    Alexios ging von Mann zu Mann und brüllte: »Rückzug.«
    Es hatte keinen Sinn, dem Gegner nachzusetzen, dachte Alexios. Sie hatten gekämpft, und das war es, was sie merkwürdigerweise verband: der Respekt, den Tod im Auge des anderen gesehen zu haben. Und noch etwas: dass sie nicht gewankt, sondern standgehalten hatten.
    Bald würde es ohnehin so dunkel sein, dass man Freund und Feind nicht mehr auseinanderhalten konnte. Die Schwierigkeit, sich zu orientieren, kam hinzu. Sie hatten keinen Sieg davongetragen, doch dass sie trotz des Verrats und der zahlenmäßigen Unterlegenheit standgehalten hatten, konnte man zumindest als Erfolg verbuchen, der die Moral der Byzantiner stärkte und ihnen Mut gab.
    Hunyadis Reiterei teilte sich und sicherte den Rückzug der beiden Heerhaufen. Beim Rückzug achteten sie darauf, unter denen, die auf dem Boden lagen und in denen noch Leben glomm, die eigenen Männer herauszufinden, um sie mitzunehmen. Ein betäubender Gestank von Schweiß, Blut und Exkrementen lag über dem Schlachtfeld, dem sich immer stärker der süßliche Duft der Verwesung zugesellte. Billionen, vielleicht gar Billiarden von blau schimmernden Fliegen und Mücken verdunkelten die Ebene vor den Stadtmauern. Raben und Krähen humpelten geschäftig zwischen den Kadavern umher. Sie wirkten wie alte Schreiber mit Buckel. Die ersten wilden Hunde schlichen sich vorsichtig zögernd zum Festschmaus heran. Die Nacht würde den Tieren gehören. So reichlich konnte nicht die Natur, sondern nur der Mensch für sie sorgen.
    Hin und wieder entstand eine Stille zwischen dem Stöhnen und Weinen, dem Schreien und Beten, dem Flehen und Singen der Verwundeten und Sterbenden. Türkische Trupps begannen, die Kampfstätte nach eigenen Verletzten abzusuchen, wie es auch byzantinische Mönche taten, die mit Wagen aus den Stadttoren strömten. Man kam sich nicht ins Gehege, man beschimpfte einander nicht, sondern wies sich auf verletzte Gegner hin. Es war die Stunde des Kampfes nicht mehr, sondern die Zeit, die Versehrten zu bergen. Bevor das Hauen und Stechen erneut beginnen konnte, mussten am nächsten Tag erst die Toten in Massengräbern bestattet werden, um den Ausbruch einer Seuche zu verhindern. Erst jetzt spürte Alexios, wie erschöpft er war. Er konnte kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen. Seine Arme fühlten sich an, als reichten sie bis zum Boden.
    Martina Laskarina, diese großartige Frau, hatte hinter den Toren bereits Nonnen und Mönche eingeteilt, die auf Anweisung der Ärzte die Verletzten in die Hospitäler brachten. Mönche und Nonnen hatten Schlafsäle geräumt, um alle Verwundeten unterbringen zu können, denn die fünf Hospitäler der Stadt gehörten zu Klöstern. Auf den Wehrgängen wurde eine Notbewachung eingerichtet. Mit einem türkischen Angriff war nicht zu rechnen, schon gar nicht in der Nacht, allenfalls am nächsten Tag. Deshalb sollten sich die Truppen ausruhen. Sie wurden allerdings in Häusern, Palästen und Kirchen, die sich in unmittelbarer Nähe zur Stadtmauer befanden, untergebracht.
    Im Geheimen Besprechungssaal kam kurz der Kriegsrat zusammen. Der Kaiser, Alexios Angelos, Johann Hunyadi, die Generäle und Admiräle sahen erschöpft und abenteuerlich aus. Sie alle hatten mutig gefochten, und man beklagte die Verluste unter Generälen, Offizieren und Mannschaften. Von den zwanzig Generälen hatten sieben auf dem Schlachtfeld den Tod gefunden, acht konnten verletzt geborgen werden. Unter den Letzteren war der Oberbefehlshaber Kantakuzenos, der mit einer Binde über dem rechten Auge, das er im Gefecht verloren hatte, verspätet zu der Runde stieß. Dass der Kaiser in der Schlacht weder verletzt noch getötet worden war, sahen alle als gutes Zeichen.
    »Ihr habt tapfer gekämpft. Dass dein Plan, Alexios, nicht aufgegangen ist, ist nicht deine Schuld. Die Männer haben so tapfer gefochten! Wären wir nicht verraten worden, hätten sie unzweifelhaft den Sieg errungen. Aber heute haben wir gezeigt, dass wir siegen können!«
    Wegen der Verluste teilte der Kaiser die Abschnitte auf der Mauer neu ein.

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