Byzanz
davon wissen, und alle drei hatten keinerlei Veranlassung, darüber zu sprechen. Laszlos Männer packten die Folterknechte und zogen sie erbarmungslos, so wie es ihnen befohlen wurde, mit sich hinaus in die Nacht, in der sich wohl irgendein schwarzer Weiher finden ließe. Auf die Befehlstreue des Vierschrötigen konnte sich der König verlassen, wie Alexios am eigenen Leib erfahren hatte.
Obwohl es ihm körperlich schwerfiel, sank er vor Claras Leichnam auf die Knie. Er hätte sich ohrfeigen, sich prügeln können dafür, ihrer Bitte – oh, wie viel Überwindung musste sie es gekostet haben, den Wunsch zu äußern! – nicht entsprochen zu haben. Wäre es ihm vergönnt gewesen, die Zeit ein kurzes Stück zurückzudrehen! Er, der große Fürst, der erfahrene Mann, er hatte nichts, aber auch gar nichts geahnt, und sie, die kleine Zofe, hatte alles gewusst. Das erste Mal in seinem Leben empfand Alexios Scham. Demütig küsste er die von geronnenem Blut und eingetrocknetem Schweiß verunstaltete Stirn. Als seine Lippen sie berührten, vereiste sein Herz.
Grußlos verließ der König den Folterkeller. So als wäre die Angelegenheit nun für ihn erledigt, mehr noch, als hätte sie sich niemals ereignet.
»Und was ist mit ihr?«, rief ihm Alexios nach. Statt einer Antwort hörte er, wie die Tür am Ende der Treppe zufiel.
»Wartet auf mich, ich bin gleich wieder da!«, sagte Hunyadi.
Nun waren sie allein, Clara und er. Sein Blick fiel auf die Streckbank. Daneben stand ein Wasserbottich mit einem Eimer und ein paar Schwämmen. Er ging zu Clara hinüber, schlang seine Arme um ihre Taille und schloss seine Hände hinter ihrem Rücken. Zwar vermochte er nicht, seine Arme zu beugen, doch hob er sie mit der Kraft seines Oberkörpers hoch. Ihr Gewicht verwandelte sich in seinen Muskeln und Sehnen zu flüssigem Feuer. Tränen traten aus seinen Augen, er schrie wie ein Tier, nichts Menschliches war in seiner Stimme, doch er ließ ihren Leib nicht los, auch wenn der Schmerz ihm das Bewusstsein zu rauben drohte. Mithilfe seines angewinkelten Oberschenkels hievte er ihren Körper auf die Streckbank. Er nahm den Schwamm in den Mund und begann sie zu waschen, so behutsam, als könne er ihr noch wehtun, zärtlich fast. Diesen Dienst war er ihr schuldig. Der Fürst schloss nicht die Augen vor den Wunden, die man ihr zugefügt hatte.
So fand ihn wenig später Johann Hunyadi. Ein Mann, der mit einem Schwamm im Mund eine Tote wusch und dessen hängende Arme an einen Affen erinnerten. Wie eine Marionette. Der Anblick hatte etwas grausam Komisches an sich. Als Alexios sein Werk für vollbracht hielt, sagte er: »Man soll sie herrichten! Schön wie im Leben soll sie in herrlichen Kleidern bestattet werden.«
Neben Hunyadi stand ein kräftiger Mann unbestimmbaren Alters mit einer Augenklappe und einem rostfarbenen Bart. Er trug eine weiße Schürze und hatte ein paar Tücher und einen Korb bei sich. Ein Bader oder Wundscher, dachte Alexios. Der Bader bat den Fürsten, sich auf den Boden zu legen, und bestrich seine Schultern und Oberarme mit einer übel riechenden, grünlichen Salbe. Hunyadi reichte Alexios eine Kürbisflasche, in der sich ein hochprozentiger Brand befand. Er lehnte ab, er wollte bei klarem Verstand bleiben. Der Bader drückte ihm ein Holzstück in den Mund.
»Draufbeißen, Euer Wohlgeboren!« Dann trat er mit dem linken Fuß in die Achselhöhle des Fürsten und kugelte den Arm wieder ein. Erst den rechten, anschließend den linken. Es schmerzte, doch es konnte ihm nicht weh genug tun, weil man Schmerzen nur mit Schmerzen bekämpfte. Plötzlich sehnte er sich nach Barbara, danach, in ihrem Schoß Vergessen zu finden. Und er machte sich Sorgen. Was mochte der König ihr antun, nachdem er mit ihrer Zofe und ihrem Liebhaber derartig umgesprungen war?
3
Notaras-Palast, Konstantinopel
Übermütig und unablässig kitzelte die Sonne ihr kleines, hübsches Gesicht. Als ärgerte sie eine lästig-behäbige Fliege, versuchte sie mit ihrer Hand, den vermeintlichen Störenfried zu vertreiben. Dann zog sie das Näschen kraus, nieste leicht, dass man es eigentlich kaum Niesen nennen konnte, und drehte sich wohlig im Schlaf auf die andere Seite. Sie wollte gerade in den nächsten Traum tauchen, als in ihrem Kopf die Signalglocken läuteten. Wie von der Tarantel gestochen schnellte sie hoch und riss ihre kugelrunden schwarzen Augen weit auf. Ihr wurde auf einmal ganz schwindlig. Mit beiden Händen fuhr sie in ihr dickes schwarzes
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