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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Erstgeborene ihre Urgroßmutter am besten, denn häufig wurde sie anfangs noch in den Palast – daran besaß sie allerdings nur wenige Erinnerungen –, später dann ins Akakios-Kloster eingeladen. Dort bewohnte die alte Kaiserin, die als Nonne den Namen Hypomone angenommen hatte, was Geduld hieß, eine geräumige und sonnige Zelle. Denn diesem Leben kam man nur mit Zähigkeit und der Kunst des Ausharrens bei. Helena schien an Anna einen Narren gefressen zu haben. Sei es, dass sie die Erstgeborene war, sei es, dass sich Helena aus irgendeinem Grund einbildete, Anna schlüge ganz nach ihrer Art.
    Inmitten der Aufregung entdeckte Anna ihren liebsten Spielgefährten, den Mönch Bessarion, der vor seinem Eintritt ins Kloster Basilius geheißen hatte. Sichtlich erschöpft saß er in einer Ecke des Zimmers, so als hätte er den kleinen Nikolaos persönlich zur Welt gebracht. Schweiß perlte auf der hohen Stirn. Die schwarzen Haare ließen seinen Teint noch blasser erscheinen. »Lass uns ein Ratespiel veranstalten«, schlug er vor und erhob sich. Es war wohl mehr die gute Absicht, Eirene ein wenig Ruhe zu verschaffen, als das Bedürfnis nach Beschäftigung. Loukas warf ihm einen dankbaren Blick zu.
    »Ich will noch ein wenig bei Nikolaos bleiben«, quengelte das Mädchen.
    »Geh schon, deine Mutter und dein Bruder brauchen jetzt ohnehin etwas Ruhe«, sagte Loukas.
    »Aber vorher ziehst du dich an, junge Dame«, rief Eirene ihr noch zu.
    In diesem Moment trat Annas Amme, Maria, die sich um die Kinder kümmerte, ins Zimmer. Die rundliche Frau unbestimmbaren Alters mit dem großen Gesicht, das vor innerem Frohsinn leuchtete, machte einen Knicks. Alles an ihr strahlte Weiblichkeit, Mütterlichkeit und Geborgenheit aus.
    »Verzeiht«, sagte sie, »aber ich suche Anna schon überall! Wir wollen frühstücken.«
    Anna zog die herrlichste Schnute der Welt, als hätte sie nie etwas anderes in ihrem Leben getan.
    »Verschieben wir unser kleines Spiel«, schlug der Mönch vor.
    »Iss doch einfach mit uns Kindern«, posaunte Anna, stolz auf ihren Einfall, heraus. Bessarion kratzte sich unschlüssig den wuchernden Vollbart.
    »Tu den Kindern ruhig den Gefallen«, half Eirene ihrem alten Freund bei der Entscheidung.
    »Aber nur, weil ihr alle es so sehr wünscht, denn eigentlich wollte ich heute fasten«, hob der Mönch die Hände und ergab sich dem Wunsch der Anwesenden. Daraufhin priesen alle das große Opfer, das Bessarion ihnen brachte, in Tönen, die in ihrer Übertreibung miteinander wetteiferten. Da war’s der fromme Mönch zufrieden: Nicht er selbst, sondern Gott hatte ihn durch den Mund dieser Familie an diesem Tag von der ungeliebten Askese befreit.
    Es klopfte an der Tür, eine Zofe öffnete. Ein Diener meldete, Francesco Draperio wünsche dringend, den Herrn Kapitän zu sprechen.
    »So früh?«, rief Loukas Notaras erstaunt aus, erwartete aber vom Diener keine Antwort. »Da muss es wohl sehr wichtig sein.« Der Kapitän nickte dem Domestiken zu, dann beugte er sich noch einmal über Frau und Kind, küsste beide und verließ das Schlafzimmer, gefolgt von der Amme und von Anna, die Bessarion wie eine Beute rücksichtslos mit sich zog. Allerdings verfügten sie sich in das Kinderzimmer, während Loukas kopfschüttelnd sein Arbeitszimmer aufsuchte.
    Als die Tür ins Schloss fiel, atmete Eirene erleichtert auf, schaute auf den kleinen Nikolaos und sagte seufzend: »Na, mein Kleiner, endlich Ruhe! Du wirst diese schrecklich laute Familie Notaras noch früh genug kennenlernen. Die ganze Rasselbande, die vorlaute Anna, die feine Theodora, den unverwüstlichen Demetrios. Er heißt zwar nach deinem Onkel, kommt aber so gar nicht nach ihm.« Sie stöhnte resigniert, so wie es nur die Kapitulation aus Liebe vermag.
    Draperio lief derweil mit katzenhafter Hinterhältigkeit in dem kleinen Arbeitszimmer aufgeregt hin und her. Als Loukas eintrat, wandte sich die lange, schmale Gestalt des Genuesen ihm sofort zu und blieb wie angewurzelt stehen. Als sei er bereit zum Sprung, dachte der Kapitän verwundert.
    »Gratulation, Verehrter«, sagte Francesco Draperio kurz. Es war deutlich, dass er keine Zeit verlieren wollte. »Es tut mir leid, an einem solchen Tag zu stören … ähm, wie geht es Mutter und Kind?«
    »Gut, sehr gut. Habt Dank für Euer Interesse«, antwortete Loukas amüsiert. »Aber sprecht. Es muss sehr dringend sein, wenn Ihr so früh das Haus verlasst, um zu mir zu kommen.«
    »Dringend ist gar kein Ausdruck! Es brennt,

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