Byzanz
Introitus auf Griechisch mit: »Herr, gib ihnen die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen. Dir gebührt Lob, Herr, auf dem Zion, dir erfüllt man Gelübde in Jerusalem, erhöre mein Gebet; zu dir kommt alles Fleisch.«
»Auf Griechisch klingt es viel schöner als im Lateinischen«, hörte er neben sich eine Frauenstimme sagen, die er sehr gut kannte. Er schaute nach links und versank in Barbaras blauen Augen. Tiefe Dankbarkeit empfand er dafür, dass sie es trotz der Gefahr auf sich genommen hatte, in die Kapelle zu kommen. Nun konnte er die Trauer mit ihr teilen und bei ihr Trost finden.
»Ach, Liebster, wie sehr hast du mir gefehlt! Alles wird jetzt zwar schwieriger, aber wir schaffen das schon. Wer könnte schon unserem Erfindungsreichtum wehren«, flüsterte sie doppeldeutig mit verführerischem Augenaufschlag.
»Warum Clara?«, fragte er leise.
»Sigismund hat sie töten lassen, um mich zu bestrafen und meine Bediensteten zu warnen.«
»Jemand hat uns verraten!«
»Es gibt immer einen Verräter«, raunte sie ihm eine Spur zu leicht zu.
Seltsam, dachte er, das hatte Johann Hunyadi auch gesagt. »Aber wer könnte der Judas sein?«
»Ich weiß es nicht.«
»Versuch dich zu erinnern! Ist dir jemand gefolgt? Hat dich jemand beobachtet? Ist dir irgendetwas aufgefallen?«, forschte er mit gedämpfter Stimme. Er fand, dass er es Clara schuldig war.
Ihre Augen verschatteten sich. »Wen interessiert das noch?«
»Sie interessiert das!«, sagte er mit unterdrückter Lautstärke, um nicht zu stören, und zeigte auf Clara, während der Priester die Totenmesse las. »Und mich interessiert das«, fügte er leiser hinzu.
»Es wird die Dinge nicht ungeschehen machen.«
Der Priester sprach das Schuldgeständnis: »Confiteor Deo omnipotenti, beatae Mariae semper Virgini, beato Michaeli Archangelo, beato Joanni Baptistae, sanctis Apostolis Petro et Paulo, omnibus Sanctis, et vobis, fratres, quia peccavi nimis cogitatione, verbo, opere et omissione: mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa.«
Und Schuld empfand Alexios gegenüber dieser jungen Frau, die dort aufgebahrt lag, weit vor ihrer Zeit. Denn er hatte gesündigt im Geiste, in Worten, in Werken und in Taten. Zaghaft regte sich in ihm ein so ungeheuerlicher wie absurder Verdacht, dass er ihn kaum in Worte zu fassen vermochte und der nicht aus seinem Verstand, sondern aus seiner Intuition kam. »Eines verstehe ich nicht: Von unserem Treffen in diesem Jahr, von Ort und Zeit wussten doch nur du, ich und Clara.«
»Ja, und?«
In diesem Moment rief der Priester: »Kyrie eleison.«
Die Nonnen, aber auch die Königin und der Fürst antworteten: »Kyrie eleison.«
Alexios ließ sie nicht aus den Augen. Die Frage beunruhigte ihn, und er hoffte auf eine überzeugende Antwort: »Barbara, nur du, sie und ich! Es muss dir jemand gefolgt sein!«
Und der Priester rief: »Christe eleison.«
Und alle, auch Alexios und Barbara, antworteten: »Christe eleison.«
»Was willst du damit sagen?«, fuhr sie ihn mit mühsam gedämpfter Stimme an. Man sah ihr an, dass sie des Themas mehr als überdrüssig war.
Wieder bat der Priester: »Kyrie eleison.«
Und mit ihm die Christen in der Kapelle: »Kyrie eleison.«
»Sag du es mir!« Alexios klang, auch für sich selbst, unerwartet hart.
Barbaras Augen blitzten zornig. »Ich bin nicht unter Gefahren hergekommen, um mich von dir verhören zu lassen«, zischte sie. Doch da stimmten die Priester und die Nonnen das Libera me an, und sie sang mit ihrer gutturalen Stimme mit: » Libera me, de morte aeterna, in die illa tremenda … Rette mich, Herr, vor dem ewigen Tod an jenem Tage des Schreckens, wo Himmel und Erde wanken, da du kommst, die Welt durch Feuer zu richten. Zittern befällt mich und Angst, denn die Rechenschaft naht und der drohende Zorn. O jener Tag, Tag des Zorns, des Unheils, des Elends, o Tag so groß und so bitter, da du kommst, die Welt durch Feuer zu richten. Herr, gib ihnen die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen.«
»… et lux perpetua luceat eis« , wiederholte er in Gedanken. »Sind wir schuldig geworden, Barbara? Haben wir eine große Sünde auf uns geladen?«
»Ehebruch ist Sünde und jede Art der Begattung bis auf die Kardinalsstellung ist ebenfalls Sünde. Natürlich haben wir gesündigt. Was lärmst du denn die ganze Zeit wegen dieser kleinen Zofe? Wenn mein Vater sie nicht aufgenommen hätte, würde sie heute in einem Bordell jedem zu Willen sein. Wenn sie nicht die Syphilis längst
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