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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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rieb sich erfreut die Hände. »So werden alle glücklich!«
    »Ja«, sagte Loukas, »der Handel ist doch eine feine Sache.«
    Und dann tranken sie und sprachen darüber, wie gut es wäre, wenn Osmanen und Byzantiner in Frieden miteinander lebten.
    »Krieg ist einfach ein schlechtes Geschäft«, seufzte Loukas.
    »Vielleicht«, gab der Wesir vage zurück.

9
    Residenz des ungarischen Königs, Buda
    Alexios hätte die Luft auswringen können. Es regnete zwar nicht, aber er hatte das Gefühl, durch Wolken zu laufen. Über ihn stützten sich müde die Wipfel der Kastanien. Nur die Pflicht, Clara zu bestatten, und die Sehnsucht, in Barbaras Armen Trost zu finden, hielten ihn noch in Buda. Der mit kleinen Steinen bestreute Weg führte in gerader Linie zur Kapelle, deren Türflügel wie geöffnete Arme wirkten. Rechts und links reihten sich in loser Folge die Gräber aneinander. Manche hatten Grabsteine, andere nur Kreuze, die gehörig von der Witterung bearbeitet worden waren. Mit einem Blick auf die vielen freien Plätze stellte Alexios grimmig fest, dass hier noch viel gestorben werden konnte.
    Als er die Kapelle betrat, bekam er weiche Knie. Vor dem Granitaltar lag Clara von Eger im offenen Sarg aufgebahrt. Die Nonnen hatten große Kunst bewiesen, denn schön wie nie lag die junge Frau in ihrem Sarg, als schliefe sie. Kein Kratzer war zu sehen, nur Frieden und Gelöstheit standen in ihrem blassen Gesicht.
    Zehn, zwanzig Franziskanerinnen saßen im Chorgestühl. Der Fürst trat an den Sarg heran. Obwohl ihn niemand ansah, beschlich ihn das Gefühl, dass alle Aufmerksamkeit auf ihm ruhte. Aber das berührte ihn nicht, erreichte ihn nicht einmal, genauso wenig, als wenn sie geglotzt, gestarrt und getuschelt hätten.
    Clara lag wie in einem Brautbett da, im weißen Kleid, einen Kranz von Schneeglöckchen und Krokussen im Haar, als warte sie nur darauf, dass ein Engel sie wachküssen würde. So etwas hatte Alexios noch nie gesehen. Er bekreuzigte sich – allerdings mit ausgestreckten Daumen, Zeige- und Mittelfinger, während Ring- und kleiner Finger die Handfläche berührten, von oben nach unten und von rechts nach links, so wie es bei den Byzantinern üblich war. Darauf achtete jedoch niemand. Er ertappte sich bei dem Wunsch, sich zu Clara zu legen, und fühlte im gleichen Moment, wie das Blut in seine Wangen stieg. Dann spürte er ihre Fingernägel, die sich verzweifelt und lustvoll zugleich in seinen Rücken gruben. Unbekannte Bilder stiegen vor seinem inneren Auge auf, Details, die er in jener Nacht im Jagdschloss in den Karpaten wohl unterbewusst wahrgenommen, zwar nicht registriert, aber auch nicht vergessen hatte: ihr ernstes Gesicht, die fast kindliche Konzentration, als habe man ihr genau gesagt, was sie wie und wann zu tun hätte, und sie hatte doch nichts falsch machen wollen. Hast du auch nicht, dachte Alexios Angelos, ich war es, der alles falsch gemacht hat. Plötzlich spürte er die Berührung ihrer Hand auf seiner Stirn. Eine zärtliche Geste, die aus den Tiefen seiner emotionalen Erinnerung aufstieg, als habe sie nur auf den passenden Augenblick gewartet. Nun stand ihm alles deutlich vor Augen. In jener Nacht hatte sie ihn zu seiner Kemenate geführt und ihn gebettet. Vor Erschöpfung war er sogleich eingeschlafen und davon ausgegangen, dass die Zofe sofort das Zimmer verlassen hatte. Weshalb hätte sie auch bei dem schlafenden Mann bleiben sollen? Jetzt wurde Alexios bewusst, dass ihn seine Annahme trog und sie eine ganze Weile bei ihm gesessen und seine Stirn gestreichelt hatte. Sein Geist mochte geruht haben, sein Körper jedoch nahm die Berührung wahr und speicherte die Empfindung in den Tiefen des Gehirns, bis heute zumindest. Er fragte sich und fürchtete sich zugleich vor der Antwort, warum sie das getan hatte. Hatte sie ihn etwa seit dieser Nacht geliebt – still und unauffällig zehn Jahre lang, ohne dass es ihm jemals aufgefallen war? Der Fürst brach unter der Erkenntnis seiner Schuld zusammen. Aufregung entstand unter den Nonnen. Sie riefen den Priester und die Ministranten, um dem Fürsten zu helfen, doch der erhob sich mit einem verunglückten Lächeln. »Es ist nichts, nur eine kleine Unpässlichkeit.«
    Alexios nahm in der letzten Reihe Platz. Er wollte sie sehen, aber selber unbeobachtet bleiben, denn er war sich seiner ganz und gar nicht sicher. Die Nonnen stimmten den Introitus an: »Requiem aeternam dona eis, Domine: et lux perpetua luceat eis …« Halblaut sprach der Fürst den

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