Byzanz
vielen anderen Menschen, die er an den bunten Pluderhosen oder den weißen Sackhosen, den langen Gewändern oder zweifarbigen Beinlingen unter plissierten Tuniken als Türken, Griechen, Bulgaren, Serben, Bosnier, Walachen, Venezianer, Genuesen und Leute aus Ragusa und Durazzo erkannte, den Audienzsaal. Durch die Schnitzereien vor den hohen Fenstern fiel das Licht in den hohen, rechteckigen Saal und tanzte auf den türkisfarbenen Kacheln, mit dem der Boden und die Wände verkleidet waren. An den vier Ecken hingen schwarze Schilder, von denen grüne Schriftzeichen leuchteten. In seine Nase drang ein wohltuender Geruch nach Lavendel, Minze und Orange. Es dauerte eine Weile, dann kamen aus einer kleinen Kammer einige Würdenträger, unter ihnen Halil Pascha, und nahmen dem Thron gegenüber vor einer Bank Aufstellung. Schließlich sprangen drei Knaben, gekleidet wie Narren, und zwei Zwerge aus dem Nebenraum. Nach ihnen erschien endlich der Sultan. Loukas erschrak. Der schlanke Jüngling von einst wirkte tatsächlich merklich gealtert. Der Eindruck entstand auch deshalb, weil er auf einmal dicklich wirkte. Die aufgedunsenen Wangen verkleinerten die Augen, und seinem Blick haftete etwas Fahriges, Zielloses an. Murad trug ein rotes Seidengewand, darüber so etwas wie einen grünen Mantel, der mit Streifen von Zobel verziert war. Nachdem er sich gesetzt hatte, ließen sich auch die Würdenträger nieder. Diener servierten zuerst dem Sultan, dann den Würdenträgern Essen in kleinen Schüsseln, Getränke in Pokalen. Auf einem Büfett an der rechten Seite des Saales standen für diejenigen, die zur Audienz erschienen waren, kleine Leckerbissen und etwas zum Trinken bereit. Loukas verspürte weder Hunger noch Durst. Nachdem der Sultan etwas getrunken und gegessen hatte, gab er ein Zeichen. Die Diener räumten die Schälchen und Pokale ab, während sich einer der Wesire erhob und auf die Gruppe, in der sich Loukas Notaras befand, zukam.
Der Wesir sagte etwas. Zwischen all den türkischen Worten verstand der Kapitän nur seinen Namen. Deshalb ging er auf den Wesir zu, der ihn zum Thron dirigierte. Das Geschenk, das er dem Großherrn mitgebracht hatte, übergab er einem Diener, der es ihm hinterhertrug. Flüchtig wechselte er einen Blick mit Halil Pascha, der ihm freundlich zulächelte, was aber nichts, zumindest nicht viel zu bedeuten hatte. Loukas wollte auf die Knie gehen, doch Murad stand auf und tänzelte die Treppe hinab, fasste mit seiner Hand unter Loukas’ Elle und hinderte ihn so am Kniefall.
»Lieber, verdienstvoller Freund. Es freut mich, dass du mich besuchst.«
»Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Großherr.«
»Wie kann ich dir helfen?«
»Nachdem sich der Handel so gut entwickelt hat, vor allem der mit Eisen und Waffen, wofür ich von einigen sehr mächtigen Männern in der Christenheit schräg angesehen werde …«
»Ich weiß, ich weiß. Was möchtest du?«
»Ich bin hier, weil ich gern den Handel mit Eurem Reich, Großherr, vertiefen und erweitern will.«
Murad schmunzelte. »Du weißt doch, dass mich Gott, nicht aber das Geld interessiert, dafür ist Halil zuständig.« Der Sultan winkte den Wesir heran, der umgehend herangerauscht kam.
»Großherr?«
»Triff dich doch am besten noch heute Abend mit unserem Freund und rede mit ihm über Geschäfte.«
»Ich wüsste nicht, was ich lieber täte!«
»Dann ist es ja gut. Und du, Loukas Notaras, komm doch morgen Abend mit Halil zu mir auf die Tschökke.« Mit diesen Worten kehrte Murad auf seinen Thron zurück, und Loukas war entlassen. Der Kapitän kehrte in den Gasthof zurück. Dort fand er bereits ein prächtiges Gewand vor, das der Großherr ihm als Zeichen seiner Gunst geschickt hatte.
Am Abend fand sich Loukas wie vereinbart bei Halil Pascha ein. Der Wesir empfing ihn in seinem Haus unweit des Palastes, das wie eine kleine Festung wirkte. Die unteren Fenster waren vergittert, die oberen durch hölzernes Schnitzwerk geschützt. Zwischen dem Platanenplatz und seinem Domizil lag nur der Bedesten-Basar, jener große und bedeutende Markt, ein bewegtes Meer der Händler und der Waren, mit zahlreichen Strudeln, Klippen und Sandbänken.
Das Haus des Wesirs teilte ein Hof in zwei Hälften. Der hintere Teil blieb jedem Besucher verwehrt, denn dort befand sich der Harem. Halil Pascha führte seinen Gast in ein kleines Zimmer, dessen Wände Bilder von Vögeln und Bäumen zierten. Im ganzen Haus duftete es nach Flieder und Zimt, ein Geruch, den der Wesir
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