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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Widerspruch zur kindlichen Betonung der Bitte. Grau und schmutzig schwappte der alte Bauch über der Hose. Getrockneter Dreck klebte am Oberkörper. Nikephoros Notaras sprang und hüpfte, wie er es wohl zuletzt als Knabe getan hatte. Und mit dem gleichen unsicheren Ausdruck in seinem alt-jungen Gesicht.
    »Schluss!«, brüllte Loukas weiß vor Zorn im Gesicht. Ein baumlanger Kerl mit riesigem Adamsapfel erhob sich drohend. »Wer will uns den Spaß verderben? Hau ab, du feiner Pinkel, bevor ich dir die Fresse poliere!«
    Loukas zog blank. »Spaß? Ich möchte auch etwas Spaß haben.« Der alte Mann hatte aufgehört zu tanzen und schaute verwundert zum Ausgang. Etwas regte sich in seinem Gehirn. Erkannte er seinen Sohn? Loukas zweifelte daran, deshalb rief er: »Komm, Nikephoros, komm zu mir!«
    Ein zweiter, bulliger Typ mit einem Stiernacken und glasigen Augen erhob sich. »Er ist noch nicht fertig mit Tanzen!« Ein dritter, ein vierter, ein fünfter, ein sechster taten es ihm gleich. Schließlich standen alle, die noch stehen konnten. Einer von denen ging ein paar Schritte weiter und erleichterte sich an einer Säule, bevor er mit einem Messer in der Hand zurückkam. Plötzlich spürte Loukas einen Mann in seinem Rücken. Und hörte das eiserne Rascheln, wenn ein Säbel oder ein Schwert aus der Scheide gezogen wurde. Loukas machte einen Schritt nach vorn, um Bewegungsfreiheit zu erhalten, damit er sich rasch umdrehen konnte, um den Feind in seinem Rücken zu erledigen. Die Stadtstreicher und Galgenvögel vor ihm machten einen Schritt auf ihn zu. Da vernahm er in seinem Rücken eine wohl vertraute Stimme.
    »Keine Sorge, Herr, ich bin bei Euch!« Eudokimos! Loukas dankte seinem Schöpfer.
    »Lasst den alten Mann gehen. Er hat es nicht verdient.«
    »Und wir? Haben wir dieses Leben verdient? Niemand bekommt, was er verdient, jeder muss nehmen, was man ihm hinwirft!«, schimpfte ein kleiner Eingetrockneter. Es war der, der sein Wasser an der Säule abgeschlagen hatte.
    »Leonidas?«
    »Ja, die Hure von Mutter gab mir diesen Namen.« Eudokimos steckte seinen Säbel in die Scheide, ging zu dem Eingetrockneten und verpasste ihm eine Ohrfeige, dass dem das Messer aus der Hand fiel, er Blut spuckte und einen Zahn hinterher.
    »Wage es nie wieder, die Schwester meines Vaters so zu nennen!«
    Die Männer, die auf Eudokimos losgehen wollten, hielten inne. Der Eingetrocknete kniff die Augen zusammen und sah den Steuermann kritisch an. »Eudokimos? Ja, du bist es! Leute, lasst ihn zufrieden, der feine Pinkel ist mein Vetter.«
    Loukas nutzte die Verwunderung, die sich ausbreitete, zog seinen Mantel aus, legte ihn seinem Vater über die Schultern und führte ihn mit sich. »Komm, es geht nach Hause, mein Junge.«
    Da lachte der Alte spitzbübisch: »Du weißt aber schon, Loukas, dass ich dein Vater bin?«
    »Ja, Vater, komm.«
    Nikephoros Notaras sah sich zuerst erstaunt um, dann ungläubig an sich herab. »Wie komme ich hierher? Wie sehe ich überhaupt aus?«
    »Erst mal raus, den Rest bereden wir nachher.«

11
    Notaras-Palast, Konstantinopel
    »Obwohl ich früher nie getrunken habe, schmeckt mir der Wein in letzter Zeit gut«, sagte Nikephoros resigniert.
    »Genieße ihn, Vater.«
    »Wie? Ja, ja natürlich.«
    »Was ist los mit dir?«
    Der alte Mann hob die Hände, ließ sie vor seinem Gesicht kurz wie Vögel flattern, dann legte er sie in seinen Schoß und bedeckte mit den Fingern der linken Hand die Finger der rechten, während der rechte Daumen in die Handhöhle der rechten verschwand. Kein anderer Ort als das Arbeitszimmer des Alten, der für die tiefe Verbundenheit zwischen Vater und Sohn stand, eignete sich für ein so heikles Gespräch besser. Die Augen des alten Mannes drückten Traurigkeit aus. Er schüttelte leicht den Kopf, als könne er das, was er erzählte, selbst nicht recht glauben. »Weißt du, ich denke oft an meine Kindheit. Oder nein, warte, das stimmt nicht ganz. Ich …« Er hob, als wolle er um Verzeihung bitten, für einen Augenblick die Hände, bevor er sie wieder in den Schoß zurücklegte. »Ich kann mich nicht daran erinnern, aber manchmal kommt die Vergangenheit so stark über mich, dass ich glaube, in der Kindheit zu sein, verstehst du, wieder Kind zu sein … Es ist keine Erinnerung, was da über mich kommt, eher eine Vision oder präziser eine Verwandlung.« Er kratzte sich die Schläfe. Seine großen Augen füllte das Unglück aus. »Eine Verwandlung, ja! Ich werde verrückt. Ihr müsst mich

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