Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
Vom Netzwerk:
keine Meldungen von Eudokimos vor. Also ließ er sein Pferd satteln und galoppierte zum Xenon des Kral, um bei Martina Laskarina Rat einzuholen. Er hatte das Gefühl, die Sache von einer anderen Seite angehen zu müssen.
    Die Ärztin hörte sich alles mit verschlossener Miene an. »In den Krankheiten des Körpers kenne ich mich aus, nicht aber in denen des Kopfes. Ich sage Euch, was ich denke, aber es ist kein ärztlicher Rat, es ist nur meine Meinung.«
    »Sprecht!«
    »Euer Vater hat sein ganzes Leben Verantwortung getragen und hat für seine Familie gesorgt wie kein Zweiter. Er ist müde. Jetzt, wo er weiß, dass Ihr seine Nachfolge angetreten habt und er die Verantwortung abgeben durfte, sehnt er sich nach der Zeit seiner Kindheit zurück, in die Geborgenheit des Kindes. Euer Vater will endlich nach Hause zu seinem Vater.« Nachdenklich fügte sie hinzu: »Zu seinem himmlischen Vater. Die Zeit des Abschiednehmens bricht an.«
    »Er war doch …«
    »Immer der Starke? Ja, aber nun seid Ihr der Starke. Verzeiht, aber ich habe weit weniger die Bibel gelesen, als ich es hätte tun sollen. Irgendwo aber findet sich dort der bemerkenswerte Satz: ›Er muss zunehmen und ich muss abnehmen.‹ Ihr nehmt seine Stelle ein, die er freigibt.«
    Loukas erinnerte sich, dass, seitdem er die Geschäfte übernommen hatte, sein Vater ihn zwar beriet, häufiger aber in den letzten Jahren Momente eintraten, in denen er plötzlich traurig, verhalten oder sogar desorientiert wirkte. Stets hatte er diese Seltsamkeiten im Verhalten des alten Seeräubers verdrängt oder sie auf das Schuldgefühl gegenüber Demetrios zurückgeführt, denn diese kurzen Aussetzer waren nicht lange nach dem Gewaltausbruch gegen den jüngeren Sohn aufgetreten. Abschiednehmen – wie sollte das gehen? Ihm graute davor, vor allem weil er sich hilflos fühlte. »Was soll ich jetzt bloß tun?«, entfuhr es ihm.
    »Euer Vater wird in seine eigene Welt verschwinden. Es wird Euch wehtun, aber hindert ihn nicht daran. Lasst ihn, es ist gut für ihn, doch passt auf ihn auf!«
    »Habt Ihr eine Idee, wo ich ihn suchen soll?«
    »Dort, wo er als Kind gern war.«
    »Mein Vater hat wenig von seiner Kindheit erzählt. Eigentlich …« Wenn er ganz ehrlich war, wusste Loukas Notaras nicht einmal, dass sein Vater eine Kindheit gehabt hatte. Doch diesen Satz behielt er für sich. Sein Vater war immer sein Vater, abwegig für ihn die Vorstellung, dass der imposante Mann einmal Kind gewesen sein könnte.
    »Sucht in Euren Erinnerungen, und Ihr werdet Euren Vater finden!«
    Loukas Notaras dankte der Ärztin und brach auf. Ihm schwindelte der Kopf. Ungern nur glaubte er ihr, doch sein Instinkt gab der Ärztin recht. Er zerbrach sich den Kopf darüber, was sein Vater über seine Kindheit erzählt hatte, während er die Häfen abritt. Zumindest faszinierten Loukas als Kind die Häfen, die Schiffe, das Meer. Warum also sollte es bei seinem Vater anders gewesen sein? Er begann im Norden, beim kleinen Kynegion-Hafen, in dem er einst im Sturm die italienische Braut des Kaisers abgesetzt hatte, mit der Suche. Längst lebte sie nicht mehr in Konstantinopel. Ihre Gebete waren schließlich doch in Erfüllung gegangen, die Ehe wurde geschieden und sie kehrte nach Montferrat zurück. Und der Kaiser? Ihm lachte, was keiner für möglich hielt, das Glück. Er hatte eine wunderschöne Frau gefunden, die er auch von Herzen liebte, Maria, die Tochter des Großkomnenen, des Herrschers von Trapezunt. Sphrantzes hatte die Verbindung vermittelt und stand seitdem in höchster Gunst des Kaisers.
    Anschließend suchte Loukas im Phanarion-Hafen, im Neorion-Hafen und im Prosphorion-Hafen nach dem Vater. Nachdem er vergeblich die Häfen im Norden überprüft hatte, begab er sich in den Süden zum Bukoleon-Hafen, zum Sophia-Hafen, zum Kontoskalion-Hafen. Im Eleutherios-Hafen stieß er auf Eudokimos.
    »Es ist, als ob wir eine Stecknadel im Heuhaufen suchen«, fluchte der Steuermann.
    »Was hast du da gesagt?«, fuhr ihn der Kapitän an. Der Glatzköpfige schrak zusammen und wiederholte mechanisch: »Es ist, als ob wir eine Stecknadel im Heuhaufen suchen.«
    »Nenn mir ein paar Kinderspiele, Eudokimos!«
    Der Steuermann verstand seinen Herrn beim besten Willen nicht. »Herr …«
    »Mach schon!«
    »Kriegen, Jagen, Ritter und Drachen, Christ und Muslim, Suchen, Pirat …«
    »Suchen!« Die Augen des Kapitäns leuchteten. Einmal hatte ihm sein Vater erzählt, wie gern er mit einer Straßenbande

Weitere Kostenlose Bücher