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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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wichtig, denn er wird nicht mein Nachfolger werden, er hat zwei klügere und in allem bessere ältere Brüder.« Dann trank er etwas und befahl den Musikern, ein Lied von Rabi’a zu singen. Loukas aber raunte er zu: »Rabi’a war eine freigelassene Sklavin. Eines Tages wunderten sich die Leute, denn sie lief durch Basra mit einer Fackel in der einen und einem Eimer Wasser in der anderen Hand. Auf die Frage der Menschentraube, die sich um sie bildete, antwortete sie: ›Ich will Feuer ans Paradies legen und Wasser in die Hölle gießen, damit diese beiden Schleier verschwinden und es deutlich wird, wer Gott aus Liebe und nicht aus Höllenfurcht oder Hoffnung aufs Paradies anbetet.‹«
    Und der Sänger begann zu singen:
    »Oh Geliebter der Herzen, ich habe keinen gleich dir … Das Herz kann keinen lieben als dich.«
    Zum Abschied hatte Murad ihn gefragt: »Kannst du mir erklären, was das ist, eine Familie?«
    Mit Worten wollte es Loukas Notaras nicht gelingen, er hätte es dem Sultan nur zeigen können: wenn man gemeinsam zu einem Baum wird. Anna legte indessen sanft ihren rechten Arm um ihren kleinen Bruder, Eirene ihren freien Arm um Theodora, die wiederum mit ihrem Arm die Schulter ihrer Mutter berührte, sodass die Familie einen Kreis bildete, den ihre Arme und Körper umschlossen und so zu einem einzigen Leib verschmolzen. Eben wie ein Baum. Sie steckten die Köpfe zusammen und schwiegen im Genuss des Einsseins, des Ineinanderfließens. Eine Trutzburg gegen den Rest der Welt, so wie sie umarmt hier standen und ihre Energien sich vereinigten. Thekla rannen die Tränen aus Rührung, aber auch aus Trauer, denn der Mann, mit dem sie ihr Leben verbracht hatte, war von einem Tag auf den anderen spurlos verschwunden. Natürlich gehörte sie zur Familie ihres Sohnes, aber nicht so ganz, nicht im engsten Sinne, dachte sie und wollte sich schon zurückziehen, als Anna ihr zurief: »Komm zu uns, Großmutter, komm, du gehörst doch zu uns.«
    »Ja, komm, Mutter«, rief Eirene, und die anderen Kinder fielen in die Bitte mit ein. Thekla stellte sich zwischen Anna und Eirene. Sie gehörte eben doch dazu, ganz und gar. Nachdem sie das Zusammensein genossen hatten, bat Loukas seine Frau, die Kinder mitzunehmen, weil er mit seiner Mutter zu reden habe. Endlich musste er sich um seinen Vater kümmern. Eirene verstand. »Kommt, ihr Lieben!«
    Die Kinder protestierten, hatten sie doch ihren Vater gerade erst zurückbekommen, aber Eirene ließ keinen Widerspruch zu. Mit einem Lächeln schaute er seinem jüngsten Sohn, der auf Eirenes Arm eingeschlafen war, hinterher.
    Als sie allein waren, fragte Loukas: »Was ist mit Vater?«
    »Du warst kaum fort, da erzählte er von seiner Kindheit, spielte mit Demetrios, als ob er im Alter des Knaben wäre. Dann ging er fort und kehrte lange nicht wieder. Als er endlich vollkommen verschmutzt zurückkam, hatte ich das Gefühl, dass er eine ganze Zeit brauchte, ehe er mich erkannte.«
    »Habt ihr Bessarion zurate gezogen?«
    »Bessarion ist in Mistra bei einem Philosophen, von dem er lernen will.«
    Der Kapitän schüttelte den Kopf. Er verstand das alles nicht.
    »Was ist bloß mit ihm? Es ist, als ob er nicht mehr mein Mann sei. Gestern hat er mich gefragt, wo seine Mama ist. Dann hat er geschrien, dass er zu seiner Mama wolle, und ist losgerannt. Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
    »Ich finde ihn, verlass dich drauf.« Die Nachrichten beunruhigten ihn, zumal er die Geschehnisse nicht mit dem Mann zusammenbrachte, den er zeit seines Lebens kannte und der sein Vater war. Jetzt half nur, streng rational und methodisch vorzugehen. Der Kapitän zwang sich zur Ruhe und rief Eudokimos zu sich. Er befahl ihm, dass die Mannschaft der »Nike«, die in drei Tagen auslaufen würde, alle Arbeiten am Schiff einzustellen hatte, um in der ganzen Stadt nach Nikephoros Notaras zu suchen. Aber auch Loukas hielt es nicht mehr im Palast. Er hatte eine Idee. Der Kapitän lief zur St.-Barbara-Spitze, zu dem Ort, den sein Vater über alles liebte, an dem sie so manches wichtige Gespräch geführt hatten. Umso näher er dem Kap kam, umso stärker beruhigte er sich, weil es ihm immer sicherer wurde, dass sein Vater sich nur dorthin zurückgezogen haben konnte. Er suchte den Hain ab, schaute hinter jeden Strauch und jeden Baum, rief ihn, lief selbst runter zum Meer. Die Enttäuschung, ihn nirgendwo zu finden, traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube.
    Als er in den Palast zurückgekehrt war, lagen noch

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