Byzanz
Hin und wieder klatschten ein paar Regentropfen vom Himmel.
»Eine Ankunft im Sturm«, scherzte Johannes gallig. Der Fürst unterdrückte die Regung, ihn in den Arm zu nehmen, um ihm Mut zuzusprechen, denn das wäre ihm als Angriff auf den Kaiser und somit auf das Reich ausgelegt worden.
»Meine Mutter hat mich vor der Kirchenunion gewarnt. Nun kehren wir mit ihr zurück. Was werden sie sagen? Werden sie es verstehen? Über ihren Schatten springen?«
»Es wird Widerstand geben, den müssen wir durchstehen. Aber bedenkt, wie sehr der Papst für den Kreuzzug kämpft. Murad hat halb Serbien erobert und belagert nun Belgrad, um in Ungarn einzufallen. Die Türken müssen geschlagen werden, und zwar jetzt!« Alexios hatte ruhig und ohne Pathos gesprochen, nicht aufgeregt, aber auch nicht müde, so wie jemand, der wusste, dass es ein zäher Kleinkrieg würde, der aus Scharmützeln bestand, die tagtäglich auszufechten waren. Johannes tippte mit der Hand an den Oberarm des Fürsten und nickte verhalten. Dann sah er mit bangem Blick zur Stadt.
So lief die Flotte des Kaisers in Kontoskalion ein. Der Hafen glich einem Armeisenhaufen. Alexios entdeckte auf den Molen und Hafenmauern Menschen, die sich drängten. Auffallend viele Mönche unter ihnen. Ihre schwarzen Kutten dominierten das Bild der Menge. Dass sie auf den Patriarchen Joseph II. von Konstantinopel verzichten mussten, weil der während des Konzils verstorben war, gefiel dem Fürsten angesichts des Mönchsaufgebots im Hafen überhaupt nicht. Knirschend legte das Schiff des Kaisers an der Kaimauer an. Die Garde bahnte einen Korridor vom Eingang des Hafens zur Galeere des Kaisers. Krachend knallte das Fallreep auf die Bordwand. Als Johannes das Fallreep bestieg, trat Stille ein.
Ein Mönch rief: »Habt Ihr die Union mit den Ketzern vollzogen?«
»Wir haben die Union mit unseren lateinischen Brüdern vollzogen«, antwortete der Kaiser laut und kräftig. Ein Raunen ging durch die Menge. Das Fallreep des gegenüberliegenden Schiffes betrat der Metropolit Markos von Ephesos. Ein anderer Mönch entdeckte ihn und fragte: »Ehrwürdiger Vater, habt Ihr den Primat des Papstes akzeptiert?«
»Ich nicht, aber die anderen«, rief der Metropolit mit zornglühenden Augen.
»Habt Ihr auch das Filioque übernommen?«
»Ich nicht, aber die anderen«, antwortete Markos von Ephesos. Und erneut brandete ein Raunen durch die Menge, das eher dem Grollen einer Bestie glich. Alexios spürte die Gefahr, dass die Vernunft des Einzelnen sich in der Dumpfheit der Masse auflösen könnte.
»Ihr müsst etwas sagen«, drängte er den Kaiser. »Ihr seid der Kaiser, nicht dieser Priester dort.« Doch Johannes schaute ihn nur mit großen Augen an, in denen die Frage stand: Was soll ich denn sagen? Rasch schritt er durch den Korridor, den seine Gardisten wie einen Wall gegen das bedrohlich wogende Menschenmeer hielten. Wer wusste, wie lange die Wälle der schwarzen Flut standhalten würden? Verärgert über die missglückte Ankunft folgte Alexios seinem Kaiser, Bessarion hielt kopfschüttelnd Anschluss.
»Müssen wir jetzt auch ungesäuertes Brot in der Eucharistie zu uns nehmen?«, rief jemand.
»Ja, nach deren Willen müsst ihr das«, verkündete Markos.
Es klang gewichtig, es klang peinigend, wie ein strenger Richterspruch. Es klang, als hätten sie Pest und Cholera an Bord gehabt. Keiner der Ankömmlinge wusste, dass nicht die Cholera, aber eine Pestepidemie in Konstantinopel gehaust und schaurig Festmahl gehalten hatte. Der Schwarze Tod hatte also schon in der Stadt gehaust, und die Mönche hatten verkündet, dies sei die Strafe Gottes für die Kirchenunion.
»Warum habt ihr unsere Seligkeit verraten?«, schrie ein Mönch hysterisch. Andere fielen auf die Knie und beteten, erschüttert über diese große Sünde, die Kaiser und Patriarchen über die Stadt gebracht hatten.
»Ich weiß nicht, warum wir das getan haben. Betet für uns, so wie wir von nun an für unser Seelenheil beten müssen, denn wir haben gesündigt«, rief Gennadios Scholarios zerknirscht.
Inzwischen hatten der Kaiser, Alexios Angelos und Bessarion den Ausgang des Hafens erreicht. Hinter ihnen hatte sich ein apokalyptisches Getöse erhoben. Stimmen, die alles Menschliche abgestreift hatten, drangen an ihre Ohren wie die Vorboten der Vernichtung. Sie vernahmen Weinen und Schreie, Gebete und Bittgesänge, die Laute von Menschen, die glaubten, ihre Stadt und ihr Seelenheil wären dem Teufel preisgegeben worden. Als der
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